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Wenn sich das Jahr neigt, stehen drei zünftige Einkehren an: Martinsgans (heuer im „Wümmeblick“, nicht überzeugend), Weihnachtsmarkt (Edelweiss, hier nachzulesen) und den Abschluss bildet der Geburtstag des alternden Hanseaten. Meine Wahl fiel auf den Gasthof „Zur Nordseite“, den ich hier zum selbigen Anlass vor zehn Jahren bereits besprochen habe. Für Statistiker reizvoll, die Preisentwicklung einer Dekade im Vergleich meiner Kritiken nachzuvollziehen.
Nach wie vor ist die Nordseite ein Hort gediegener Gastlichkeit mit einer erstaunlich vielfältigen Karte, was aber auch saisonal begründet ist (Grünkohlzeit, Gans, Wild). Alle Karten nachzulesen unter: https://www.zur-nordseite.de/restaurant/speisen_getraenke.php; Getränke werden nicht gezeigt und die Standardkarte ist in der „Wochenkarte“ enthalten.
Auch wenn mich die Küchenleistung nicht gänzlich zufrieden stellen konnte, ist eine Einkehr bei Familie Kropp in der Nordseite eine solide Empfehlung.
Am besuchten 4. Advent füllte sich das Restaurant ab 18 Uhr zügig mit erwartbar älterem, familiengeprägtem Publikum.
Das Preis-Leistungsverhältnis sehe ich bei vier Sternen.
Service:
Die weiblichen Servicekräfte versehen ihren Dienst mit langen dunkelroten Kellnerschürzen und weißen Blusen. Unsere Betreuerin (laut Bon Sandra) war freundlich und aufmerksam und führte die Getränkeorders zügig aus und auch die Speisen kamen in kommoder Reihenfolge. Also eine solide Leistung, die mir 3,5 Sterne wert ist.
Die drei Zapfbiere, darunter das in Bremen beliebte naturtrübe Kräusen sind für 3,90 Euro für 0,3l zu bekommen (2014: 2,50 Euro). Wasser 0,75l kommt auf 6,50 Euro und die klassifizierten, offen servierten Weine in guter Auswahl liegen zwischen 5,50 und 7,00 Euro für 0,2l. Einen Fürst Bismarck Doppelkorn bekommt man für 2,40 Euro, wir nahmen den Roten Hengst für 2,90 Euro, damit das Kräusen besser flutschte.
Ausgegeben wird in der Nordseite nichts.
Essen
Zweimal Hochzeitssuppe und einmal Pfifferlingcremesuppe (alle 7,90 Euro) bildeten den ersten Gang auf dem Tisch.
2014 schrieb ich zu diesen Suppen:
„In den Landgasthäusern mit regionalen Spezialitäten ist die Hochzeitssuppe als gerne genommene Vorspeise eine Art Lackmustest. Auch wenn das Kochen einer kräftigen Brühe mit abgestimmter Einlage keine kulinarische Herausforderung sein sollte, muss ich leider berichten, dass nur jedes zweite Restaurant diesen Test besteht. In der Nordseite gibt es eine normalgroße Suppentasse mit einer sehr heißen Suppe auf Rinderbasis (ansonsten meist Huhn) mit Mettbällchen, Eierstich, wenigen Möhrenstreifen und Graupennudeln. Test bestanden! Meine Begleiterin hatte aus der Pfifferlingkarte die Pfifferlingcremesuppe, die im Teller serviert wurde und ihren Namen verdiente, auch gut.“
Heuer war die Brühe nicht sehr heiß und auch etwas schlapp und in der Einlage fand ich den Eierstich überrepräsentiert. Brot mit oder ohne Dip oder zu den Suppen wurde nicht aufgetragen.
Als Hauptspeise hatte ich mir den Hirschrücken ausgewählt, rosa gebraten mit Zwiebelmarmelade, Rosenkohl und Bratkartoffeln für 36,90 Euro. Ich muss vorab gestehen, dass ich überhaupt kein Wildkenner bin. Hätte ich das Fleisch ohne Hinweis auf das Spendertier serviert bekommen, hätte ich auf Rind getippt, also kein Wildgeschmack, auch wenn ich von diesem nur eine diffuse Vorstellung habe. Das Fleisch mit etwas Salz und Pfeffer aus der Mühle nachgewürzt gut essbar. Was leider nicht passte, war die reichlich mitgegebene Zwiebelmarmelade, die das zarte Fleisch geradezu erschlug. Diese Marmelade hätte eines kräftigen Gegenspielers bedurft wie z. B. Rinder- oder Gänseleber.
Die Bratkartoffeln waren gut, ebenso der Rosenkohl und insgesamt war das Gericht reichlich bemessen.
Unsere Begleiterin zu meiner Rechten hatte sich Zanderfilet mit Grünkohl und Salzkartoffeln für 24,90 Euro ausgesucht. Sie hatte die Erwartungshaltung, dass der Grünkohl zum Fisch wie Spinat zubereitet sein würde, musste aber feststellen, dass es der klassisch zubereitete Grünkohl war, der standardmäßig mit Kassler, Pinkel, Kochwurst und Speck serviert wird. Nach meinem Geschmackstest war er dafür auch gelungen, aber zum Zander …? Aber der Fisch war ohne Fehl und Tadel. Die Komposition vielleicht als Konzession an Fleischabstinenzler mit Kohlappetit gedacht.
Sehr eigen bei unserem Begleiter das panierte Schnitzel (mit Bratkartoffeln und gemischtem Salat für 18,30 Euro). Es war sehr dünn plattiert mit fester Panade. Optisch sah es den Kartoffelpuffern auf dem Lachsteller meiner ständigen Begleiterin verblüffend ähnlich. Also weder das rustikale dicke Schweineschnitzel, das man nach Jägerart usw. in der rustikalen Küche serviert bekommt, noch nach Wienerart mit sich luftig-wellender und knuspriger Panade. Ich fand mein Probierstück trocken, aber die Panade lud nicht zum Zitronieren ein, um dem abzuhelfen.
Ohne Makel kam der hausgebeizte Lachs mit Graved-Sauce und Kartoffelrösti als Hauptspeise für 20,90 Euro auf den Tisch. Eine mächtige Portion mit sehr gelungener Senf-Dillsoße.
Gelobt wurden die erfrischenden Beilagensalate mit Möhre, Weißkohl und Bohne.
Bei der Bewertung mag ich mich nicht zu vier Sternen durchringen und belasse es bei einer 3,5.
Auf den Tischen Pfeffermühlen neben dazu passenden Salzstreuern.
Ambiente
Wir hatten dieses Mal einen schönen Ecktisch in der guten Stube mit Wänden und Decke in Karminrot. Blickfang links vom Eingang ist ein dunkler Buffetschrank mit Schnitzereien und ein hohes Regalbrett an der Innenwand mit blauen (Delfter?) Wandtellern.
Man sitzt bequem auf dunklen Stühlen oder Bänken und hat gut Platz auf den Tischen und zwischen den Tischen. Insgesamt sind die Räumlichkeiten der Nordseite sehr großzügig bemessen, beginnend mit dem Eingangsbereich mit offenem Garderobenschrank vor den drei Restauranträumen.
Draußen rechts vom Eingang die alte Terrasse. Sie wird durch eine neue, größere Terrasse links vom Gebäude ergänzt. Von beiden hat man leider nur einen Blick auf den Deich und nicht den Wümmefluss, was ein Nachteil gegenüber den beiden weiteren Gasthöfen am Nordufer der Wümme ist (Wümmeblick/Höftdeich und Geffken/Zur Schleuse), die auf Deichniveau gelegen sind. Dafür erspart man sich aufgrund der Lage direkt an der Wümmebrücke und der Landstraße, die Bremen mit Ritterhude, Osterholz-Scharmbeck und weiter Worpswede verbindet, die kurvenreiche Fahrt längs des Deiches oder den Umweg über St. Jürgen, die in Kauf zu nehmen sind, um zu den beiden anderen Gasthöfen zu gelangen.
Sauberkeit
Die Nordseite ist sehr gepflegt und die Herrentoilette ist neugestaltet, originell mit Keramik in Holzoptik bei der Stehenderleichterung.