"Endlich Julia Komp – auch wenn es „Home-Cooking“ war, ein Erlebnis"
Geschrieben am 20.02.2021 2021-02-20 | Aktualisiert am 20.02.2021
"Hart ausgebremst nach fulminantem Start"
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"Lockdown Stories - Kein Dessert in Herzform, aber mit Herzblut gekocht"
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"Liebe auf den zweiten Biss"
Geschrieben am 04.02.2021 2021-02-04
Als Julia Komp 2016 ihren ersten Michelin-Stern erreichte, war sie erst 27 Jahre alt und gleichzeitig Deutschlands jüngste Sterneköchin.
Sie wuchs in Overath auf und absolvierte bereits als Schülerin ein Praktikum auf Schloss Lerbach unter dem mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Küchenchef Dieter Müller. Ihre Ausbildung zur Köchin machte sie in Köln-Porz im Restaurant Zur Tant.
Schon 2014 wurde sie Souschefin im Kölner Sternerestaurant La Poêle d’Or.
2015 übernahm sie die Küchenleitung im Schloss Loersfeld.
Doch 2019 folgte eine Auszeit mit einer Weltreise, um neue Ideen zu sammeln und fremde Küchen kennen zu lernen.
Nach der Rückkehr hatte sie große Pläne. Sie wollte in Köln ein eigenes Restaurant eröffnen. Es sollte Sahila heißen und auf dem Gelände von Lindgens Gastronomie liegen. Ein Restaurant, ein Bistro und ein Hafengasthaus sollten alle Bedürfnisse von Gästen abdecken.
Aber 2020 war das Jahr von Corona und so startete sie erst einmal etwas kleiner. Eröffnet wurde der „Lokschuppen by Julia Komp“ trotzdem – aber schnell stieg sie auf Lieferdienst und Abhol-Menü um, als der zweite Lockdown kam.
Das Menü sah auf der Karte verlockend aus. Und bis 15 km Entfernung vom Standort in Köln Mülheim wird seit Januar 2021 auch geliefert.
Da wollte ich unbedingt bestellen.
Service
Ich habe eine Mail geschrieben, weil ich mit der Online-Bestellung nicht so recht weiter kam (ich bestelle am liebsten per Anruf, weil ich da sofort Kontakt habe und Fragen direkt klären kann). Es folgte eine freundliche Antwort von Julia Komp und so konnte ich bestellen.
Sofort kam eine Mail als Bestätigung. Und ein paar Tage später folgte ein Anruf, um die Lieferzeit abzusprechen und allgemeine Informationen zur Fertigstellung der Gerichte zu erhalten (es gibt ein passendes Video und eine schriftliche Anleitung).
Das Angebot
Daraufhin habe ich die Anleitungsvideos für das Valentinstag-Dinner und andere Vorgänger-Menüs bei YouTube (die Filme dauern jeweils etwa 16 bis 18 Minuten) angesehen und einen kleinen oder sogar großen Schreck bekommen.
Es waren viele Zutaten zu sehen und doch einige notwendige Schritte zum perfekten Teller zu absolvieren.
Julia Komp machte das sehr elegant, aber ich bekam trotzdem etwas Panik, alles gut nachzumachen. Vielleicht ist das bestellte Menü leichter oder ich muss das Video mehrfach ansehen, die Beschreibungen sehr genau lesen und in Gedanken durchgehen, habe ich mir gedacht.
Und ich hatte ja auch noch ein paar Tage Zeit bis ich selber ran durfte.
Das Video war am Freitag - https://www.youtube.com/watch?v=z1aHm6qcI-E freigeschaltet. Die Lieferung wurde telefonisch mit Uhrzeit angekündigt und wurde bis zur Wohnungstür von der freundlichen Mitarbeiterin gebracht.
Wir haben die Komponenten sofort gesichtet und in Kühlboxen bis Samstag frisch gehalten.
Die schriftliche Anleitung war leicht verständlich und kleinschrittig abgehalten. Aber ich bin trotzdem gespannt, ob die Umsetzung gelingt, alles gut aussieht und noch besser schmecken wird.
Lockdown Menü Nr. 7: Weltreise – Lieferung am 19.2.2021 - 82,00 Euro pro Person
Brot | Butter | Kenzolie Olivenöl
Kurz in den Backofen soll das Brot bei 160°C für 10 Minuten knusprig aufgebacken werden.
Zum Tunken von Saucen und flüssigen Resten auf den Tellern genau richtig. Aber auch einfach oder mit Butter bzw. Öl angenehm.
Vorspeise: Open Blue Cobia - Thailand
Pomelo | Kokos | Mango | Lotuswurzel
Open Blue Cobia ist ein Meeresfisch und hat einen frischen, milden und buttrigen Geschmack. Das Fleisch hat eine grobflockige Textur und ist fest und weiß. Der Fisch war schon in feine Streifen geschnitten und servierfertig. Auf den Teller kam zuerst ein Kokosfond als Unterlage; darauf wurde der Fisch befördert. Eine Sphäre aus Blumenkohl und Kokoscreme musste danach platziert werden. Die Lotuswurzelstücke sollten aufrecht neben dem Fisch stehen. Nun folgte der Som Tam Salat als Türmchen auf den Teller. Nun folgten noch Pomelo-Stückchen. Zum Abschluss konnte noch mit Thaibasilikumcreme, Goa-Kresse und Korinaderöl dekorativ gearbeitet werden.
Die Zusammenstellung war ganz nach unserem Geschmack. Der Fisch war saftig und wunderbar aromatisch. Die Kokosnoten waren für uns etwas ungewohnt, aber sie passten für uns schon (wir sind in thailändischer Küche nicht besonders bewandert). Der Salat war sehr gut abgeschmeckt. Die Balance von süß, sauer und scharf war für uns gelungen.
Zwischengericht: Französische Maispoularde - Marokko
Tomate | Oliven | Salzzitrone
Die Hühnerbrust musste leicht gebraten und gegart werden. In der Zwischenzeit wurden Griestaler, Tomate und Kartoffelscheibe erwärmt und dann auf den Teller gesetzt. Auch der Fenchelsalat wurde gerollt und als Türmchen dekorativ angeordnet. Weitere Dekorationselemente aus den beschrifteten Döschen kamen ebenfalls dazu. Nun wurde die Geflügelbrust aufgeschnitten und zusammen mit der Sauce auf der anderen Seite abgelegt. Etwas Olivencrunch wurde noch über das Fleisch gestreut.
Das Gericht soll an die Gerichte aus der Tajine erinnern; es war allerdings eine (gewollt) dekonstruierte Version.
Auch zur nordafrikanischen Küche fehlen uns originale Erlebnisse. Einige Gewürzmischungen verwenden wir aber auch zu Hause gerne (Ras el-Hanout zum Beispiel).
Die Zusammenstellung hat mir zugesagt; allerdings mag meine liebe Gattin Kartoffel und Grieß nicht so besonders gerne als Zutat; aber auch sie fand die Würzung gelungen.
Insgesamt hat uns also auch das Zwischengericht gemundet.
Hauptgang: Schaufelstück vom Miguel Vergara Rind - Iran
Verjus | Minze | Staudensellerie | Bockshornklee
Auch hier gab es einiges zu tun. Zuerst kam die Selleriemousse auf den Teller. Sie war fertig und musste vorsichtig aus dem Behälter gehoben werden. Auf einer Tellerseite wurde nun die Sellerie-Landschaft aufgebaut. Staudensellerie, Sellerie-Creme und Sellerie-Herzen. Alle Komponenten waren in eigenen Beuteln untergebracht und konnten so recht einfach im Wasserbad erhitzt werden.
Dann kamen schon Dekorationselemente, die aber auch Geschmack bringen sollten, zum Einsatz: Geviertelte Weintrauben, marinierte Rosinen, Shisi-Kresse, Minze-Creme.
Fleisch und Sauce waren ebenfalls in getrennten Beuteln und mussten ebenso temperiert werden. Das Schaufelstück war 24 Stunden sous vide gegart worden und daher fast servierfertig. So wurde die andere Tellerseite mit Fleisch und Sauce belegt.
Das Fleisch war butterzart. Die Sellerie-Seite hatte viele Aromen und überzeugte durch Kontraste und auch viel Harmonie.
Nachspeise: Tang Yuan - China
Süßkartoffel | Ingwer | Schwarzer Sesam
Das Dessert hatte "natürlich" ebenso viele Bestandteile; aber es war nicht so viel „Nebenarbeit“ nötig: nur der Tee und die Klebereisbällchen mussten erwärmt werden.
Auch der Nachtisch hatte für uns viele neue ungewohnte Kombinationen. Aber das macht ja auch eine Reise durch „ferne“ Küchen aus.
Die Süßkartoffeln, das Mangotatar und die Sesammousse waren fertig in Beuteln zubereitet und mussten „nur“ angerichtet werden. Am besten in Kreisform lautete der Vorschlag. In die Zwischenraume sollten unterschiedliche Cremes getupft werden. Wenn man die Beutelchen unten aufgeschnitten hat, gelang das recht gut; allerdings durfte man den Überblick auf die Zutaten nicht verlieren. Denn dann durfte man noch Sesamchip, Vene Cress und Ingwerstückchen, die rot gefärbt waren unterbringen.
War der Teller jetzt fertig? Nein, natürlich nicht: die Hauptkomponenten Tang Yuan und Würztee kamen noch in die Mitte.
Es war eine Geschmacksbombe. Meine liebe Frau mochte allerdings das weiche Bällchen und die Süßkartoffel nicht so gerne. Ich habe bei ihr den Teller anders angerichtet; denn die Mango-Elemente, die Chips und den Ingwer fand sie Klasse.
Petit Fours
Zwei Halbkugeln mit relativ viel dunkler Schokolade bildeten dann den endgültigen Abschluss.
Preis-Leistungs-Verhältnis
Viele Zutaten, prächtige Produkte, Bringdienst – die Relation stimmt schon.
Fazit
4-5: Gerne wieder oder sogar unbedingt wieder; aber lieber im Restaurant bei Julia Komp vor Ort.
Es war sehr erhellend, die Gerichte so kleinschrittig kennenzulernen und zu sehen wie viel Arbeit allein im Anrichten besteht – ganz zu schweigen von den umfangreichen Aufgaben an den Kochstationen vorher (Das Verpacken für „Home-Cocking“ muss die Mitarbeiter*innen sicher auch an ihre Grenzen gebracht haben).
Wir haben etwa drei Stunden mit herrichten (hauptsächlich) und verkosten (geht viel schneller) verbracht. Im Restaurant wäre die Zeit sicher auch so verstrichen, aber dort hätte die Küche und der Service gearbeitet und wir hätten einfach etwas getrunken und gegessen und viel entspannt.
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder – nach „Kuechenreise“)
Datum der Verkostung: 20.02.2021 – 2 Personen - Lunch
Meine Genießer-Erlebnisse stehen auch bei http://kgsbus.beepworld.de/archiv.htm
Gesamt – Bestellung und Lieferung – Essen – Anleitung - P-L-V
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