"Ein stürmischer Herbstabend im Pfaffenberg – im Resümee trifft überzeugende Kulinarik in sieben Gängen auf ein nunmehr leider tragisches Datum"
Geschrieben am 22.11.2015 2015-11-22 | Aktualisiert am 23.11.2015
"Kulinarische Köstlichkeiten in Vollendung - und das Ambiente bietet einen würdigen Rahmen für einen zauberhaften Abend"
Geschrieben am 15.11.2015 2015-11-15 | Aktualisiert am 15.11.2015
"Abschied und Neuanfang: Im Café Kalkum fließen Tränen"
Geschrieben am 13.11.2015 2015-11-13
"Ein genußvoller Abend am historischen Gräfrather Marktplatz"
Geschrieben am 05.11.2015 2015-11-05 | Aktualisiert am 05.11.2015
Nach monatelangen intensiven Verhandlungen, neben denen das Vorgeplänkel des NATO-Doppelbeschlusses wie eine banale diplomatische Hau-Ruck-Aktion anmutet, ist es mir tatsächlich gelungen, unsere gefräßige Runde wieder einmal in Bergische Gefilde zu bugsieren – Herr S. kann Taxi fahren und etwas trinken, Halleluja!
Dies war nur ein Grund für meine Vorfreude auf diesen Abend, viel wichtiger war mir die Tatsache, daß sich schon vor Monaten die liebe Obacht! samt ihrem Schatzl angekündigt hatte, sowie meine Überzeugung, daß sich unser zweites Essen in einem Lokal meiner Wahl rein kulinarisch sicher besser anfühlen würde, als unser in vieler Hinsicht legendäres erstes Treffen überhaupt - seinerzeit im längst verblichenen Gräfrather Emigrante.
Ich muss leider zugeben, dass wenn man von Obachts etwas tückischer Anreise absieht, es kaum Dinge zu erwähnen gibt, die einer ironischen Sezierung würdig wären:
Selbst First hatte sich vorzeigbar herausgeputzt, Thomas war pünktlich bei mir, der bisweilen etwas zerstreute „Wein-Titan“ (so nennt er sich gerne ab Umsätzen von 100€/Tag) hatte sogar an meine in der Vorwoche ausgesuchten Mitbringsel gedacht und diese NICHT infantil kichernd mit 300 güldenen Casa Luz Werbestickern zugepflastert.
Ich war verwirrt, irgendwas muss doch noch passieren – ach, egal, ansonsten inszeniere ich verzweifelt eine Slapstick Einlage mit First…
Der Abend nimmt seinen Lauf…
Wir kamen dank der aufopferungsvollen Taxi-Dienste von Thomas´ werter Gattin gegen viertel nach sieben am Pfaffenberg an, die Flatterfahnen am Parkplatz in Solinger Farben mit dem Stadtwappen erfreuten sogleich den Lokalpatrioten und heulten derart im aufziehenden Sturm, dass man sich auch in einer „steifen Brise“ an der Küste wähnen konnte.
Wir wurden freundlich von einem in gepflegter, hochwertiger Kellnertracht gekleideten jungen Kellner begrüßt, unser reservierter Tisch im vorderen, behaglich beheizten wie ausgeleuchteten Gastraum erwartete uns makellos und nicht zu pomadig eingedeckt, das Angebot uns die Jacken abzunehmen lehnte ich zunächst dankend ab. Erst einmal platzierte ich meine Mitbringsel, dann galt es noch ein wenig der französischen Tabakindustrie unter die Arme zu greifen und endlich machten meine schweren Knochen mal Sinn: Ich flog derweil nicht weg!
Die MS Dortmund samt segelbegeistertem Kapitän lief alsbald in bedächtiger Fahrt in die Pfaffenberger Marina, will heißen Siebecko und Uteester waren da, First hockte auch an Deck, kurze „stürmische“ Begrüßung und nichts wie rein ins schützende Gemäuer!
Wir nahmen Platz, Obacht! und ihr Schatzl hatten noch ein kurzes touristisches Gastspiel in der Nachbarschaft absolviert und kamen wenige Minuten später an, Hugs and Kisses, warme Worte, schön das alle gut angekommen sind, Zeit für Entspannung und Genuss!
Man fragte in höflichem, kurzem Abstand ob erste Wünsche bestehen würden oder die Karten gereicht werden dürften, was wir vorfreudig bejahten.
Zu diesem Zeitpunkt wirbelte der mir bereits aus meinem Besuch im April in allerbester Erinnerung gebliebene junge Vollblut-Sommelier Marc Schmid diskret um den Tisch, er betonte, dass die Küche uns jedwede Flexibilität lassen würde. So könnten alle am Tisch à la carte essen, wer möchte gerne die kleine oder große Degustation und auch Abwandlungen bzw. Ersetzungen von Menü-Gängen durch à la carte Gänge seien absolut kein Problem!
Da Uteester und Siebecko durch die ca. einstündige Rückfahrt zeitig aufbrechen wollten und daher nicht in Menü-Laune waren, fragte ich ob die Küche hier ggf. ohne Rücksicht auf eine „Synchronizität“ mit den Menü-Gängen schicken könne, was er umgehend zur vollsten Zufriedenheit klärte.
Mehr Entgegenkommen und Flexibilität geht nicht, absolut vorbildlich und leider in der gehobenen Gastronomie fast schon eher die Ausnahme als die Regel.
Mein Anti-Lieblingssatz und quasi mein Fine Dining Äquivalent zum geflügelten „draußen nur Kännchen“ ist hier „Die Küche serviert tischweise nur einheitlich um den hohen Standard zu gewährleisten.“
Das überforderte natürlich Entscheidungsneurotiker First über alle Maßen, nachdem ich ihm die halbe Karte erklärt hatte und unter anderem klarstellte, dass Ceviche kein spanischer Urlaubsort, Kalamansi kein Manga Comic sowie Brillat Savarin keine französische Motorradmarke sei, konnte auch er nach gefühlten 30 Minuten stiller Tiefenmeditation zur Tat schreiten.
Wir trafen also unsere Auswahl, schlimmer ging es wohl nicht für die Küche, 3x à la carte, 2x das große Menü plus großer Weinbegleitung und 2x die kleine, 4-Gänge-Variante. Herr Schmid brachte eloquent und passioniert Aperos an Frau und Mann, schon jetzt wurden unsere Wassergläser nicht mehr aus den Augen gelassen, ohne dass dies jemals nur im Ansatz aufdringlich gewesen wäre.
Zur Preisgestaltung sei gesagt, die Standardkarte ist zwar angemessen taxiert, allerdings ist hier das PLV eher bei 4 Sternen zu sehen, Vorspeisen ab 13 bis hin zu fast 20 Euro sind in der Gegend schon eine Ansage, auch in der Kategorie „gehoben“.
ABER: Die Menüpreise sind eine Wucht, 7-Gänge plus Amuse und Petit Fours für 72 Euro, das geht angesichts von Ware und Handwerk nicht fairer und im Dorf an der Düssel nicht unter 100 Euro zu bekommen!!!
| Aperitif & Brot |
Die Aperitif-Auswahl im Pfaffenberg ist für meine provinziellen Ansprüche mehr als ausreichend, vom Riesling Sekt über Cremant hin zum Champagner und edlen Varianten von Hugo und Co. ist alles da, was einen festlichen Abend angemessen einleiten kann.
Ich wählte einen Bellini, moderat bepreist mit 10 Euro. Zunächst kam das Glas mit dem Pfirsich-Püree, kurz danach aufgegossen mit dem mir bereits von meinem ersten Besuch bekannten Champagner von Henris Mandois.
Geschmeckt hat er hervorragend, ein guter Bellini ist eine sichere Bank, aber ich teile die Meinung von Obacht!, zwei oder drei Grad kälter hätte er sein dürfen, wir mögen beschlagenen Gläser wenn es prickelt im Glas!
Zeitgleich wurden kleine Schiefertafeln mit einem appetitlich arrangierten Butter-Trio gereicht, eine Kugel leider anfänglich noch nicht wirklich streichfähiger gesalzener Butter, dazu eine fruchtig intensive Curry-Butter sowie eine ebenfalls wunderbar stimmig abgeschmeckte Pesto-Butter mit eher cremiger Konsistenz.
Der junge Mann (der gleiche der uns begrüßte) und den ich in meiner ersten Kritik unverschämter Weise als laienschauspielernden „Mr. Brot“ betitelt hatte, machte seine Sache auch heute wieder gut, unermüdlich reichte er eine abermals überzeugende Auswahl von hausgebackenen Herrlichkeiten wie bspw. „Cranberry Brötchen“, „Röstzwiebel Hörnchen“, Varianten mit Nüssen oder auch einem normalen grauen Roggenbrot.
Ich war zufrieden, passte auf das First nicht die gesamte Butter verschlang und schlürfte meinen Bellini.
Amuse 1
Geschabtes Knochenfleisch vom Rippchen mit Röstzwiebeln, Romasalat und BBQ Sauce
Früh Kölsch vom Fass
Ich gebe zu, nachdem dieses Amuse annonciert wurde, lag mir angesichts der Bezeichnung eine Bemerkung auf der Zunge, dass ich Separatorenfleisch eigentlich nur betrunken in einer Frikandel Spezial akzeptiere, hatte ich in dieser Form noch nicht gehört.
„Gezupftes Fleisch von Baby-Back-Ribs“ hätte sich imho sympathischer angehört und wäre dem Ergebnis auch näher gekommen: Zartes, an Pulled Pork erinnerndes faserig gezupftes Fleisch, dazu eine recht runde, eher süßlich gefällige BBQ Sauce mit leichten Hickory Noten, obenauf à la minute Röstwiebeln und ein Blättchen Romasalat.
Meister Schmid empfahl hierzu ein halbes Früh Kölsch, serviert in einem leicht bauchigen Glas statt der üblichen Stange. Das funktionierte großartig, was das Glas aus dem Bier herausholte war zusammen mit den süßlich-rauchigen Noten der Sauce eine deutlich andere Erfahrung wie ein Pils aus der Flasche zu einem Pulled Pork Burger auf einer feucht fröhlichen Grillparty.
Amuse 2
Frühlingsrolle mit Thunfisch auf Gurken-Lauchsalat
2010 Wehlener Sonnenuhr, Riesling Spätlese, Weingut Wegeler, Mosel
Dies erinnerte mich frappierend an die Wantan Rollen aus der Thunfisch Variation aus meinem ersten Besuch - was mich freute, da ich die Dinger köstlich fand.
Was ein schöner Bogen, vom rustikalen BBQ zu asiatischer Leichtigkeit und Raffinesse.
Die Rollen knusprig und heiß, der hauchzart angegarte Fisch in Sushi Qualität im inneren noch roh und dezent gewürzt, Noten von Sesam, Soja und Koriander.
Dazu ein Gurken-Lauchsalat, ich hasse, nun ja, „geringwertschätze“ Gurken im Allgemeinen wenn sie sich nicht im Hintergrund halten. Allerdings war das Zusammenspiel von den leicht bitteren Gurken- und Lauch-Aromen mit der leichten Süße vom Fisch und dem Klecks Soja- und Limonen-Emulsion eine einzige Freude und wenn ich das über Gurken schreibe, dann meine ich das auch so!
Freude stiftete auch die Wahl der Riesling Spätlese des Sommeliers, wo andere bei Asien reflexhaft zum Muskateller oder Riesling greifen, wählt er zwar auch letzteres, allerdings eine Spätlese was gut mit den herben Noten des Appetithäppchens harmonierte.
| Vorspeise |
Ceviche vom Königsfisch mit Pomelo, gelbem Löwenzahn und Cashewkernen
2013 Gelber Muskateller, Weingut Kistenmacher & Hengerer, Heilbronn, Württemberg
Da der Königsfisch eine Gattungsbezeichnung ist und ich noch vage in Erinnerung hatte, das Makrelen darunter sind fragte ich wie üblich halbgebildet nach dem genauen Fisch, Herr Schmid hatte die Antwort sofort parat, ein Offiziersbarsch sei der sanft fermentierte Meeresbewohner auf meinem Teller.
Auch bemerkenswert: Beim Annoncieren und Einschenken des Weines (jedem Gast wurde die Flasche separat vorgehalten ohne in gestelzten Formalismus zu verfallen) entschuldigte sich der Sommelier bei mir dafür, dass ich den gleichen Wein schon beim letzten Besuch hatte und er wollte eigentlich nicht, das Gäste sich womöglich langweilen, was ich angesichts des schönen Weines amüsiert-beschämt mit großer Geste verneinte.
Das Trendgericht des Sommers, die Ceviche, in einer feinen, fruchtig-säuerlichen Variante mit Pomelo, einer Kreuzung aus Grapefruit und Pampelmuse.
Gut gefielen die herb-süßen Zitrusnoten der Pomelo mit dem geschmacklich präsenten, taufrischen Fisch, der zudem hinreichend mit Meersalz gefinished wurde.
Die Cashewnüsse und –creme konterten Frucht und Säure mit Erdigkeit, der Muskateller muskatellerte fröhlich-symbiotisch dazu, manchmal ist das Leben schön!
| Suppe |
Cremesuppe von der Petersilienwurzel mit hausgemachtem Spanferkelschinken
2013 Grüner Veltliner „Kies“, Weingut Kurt Angerer, Niederösterreich
Der vorgewärmte Teller wurde zunächst mit der Einlage serviert, der vermutlich kaltgeräucherte Schinken wartete neben einem Petersilienwurzel-Chip auf die wenige Momente danach vom Service angegossene Cremesuppe.
Eine sehr solide herbstliche Suppe ohne jeden unnötigen Twist, ich mochte die ideale, noch leicht flüssige Konsistenz sehr, Cremesuppen mit der Textur eines Tapetenkleisters sind mir ein Gräuel.
Ansonsten auf der Zunge vielbewährte Kombinationen, gute Butter und etwas Wein in der Suppe, herbstliches Wurzelgemüse und mild-würziger Schinken, der Chip brachte etwas Biss.
Der gut ausbalancierte Veltliner verstand es hiergegen mit Frische, Frucht und Mineralität anzutreten – so solide und einen Hauch unspektakulär der Gang, so auch der Wein, in Summe eine gelungene Kombination und ein schöner Suppengang.
| Zwischengang |
Gebratener Heilbutt auf einer Variation vom Kürbis mit Fenchelschaum
2013 Chardonnay –S–, Weingut Sinß. Windesheim, Nahe
An dieser Stelle sei erwähnt, dass der Service immer nur höchstens 2 Gänge im Voraus deckte um das Gedeck nicht zu überladen - Menü-Esser wurden dank aufmerksamer, behandschuhter Hände immer rechtzeitig diskret mit dem passenden, hochwertigen Besteck Solinger Provenienz versorgt.
Der Heilbutt wurde vor dem Braten noch mit einer hauchdünnen Scheibe Lardo versehen, diese schmolz und sorgte für zusätzliche Aromatik und Saftigkeit des perfekt glasig, blättrig gegarten Fisches.
Die Variation vom Butternut bestand aus einer mit Safran veredelten Creme, einem in Tempura ausgebackenem Stück, zwei säuerlich marinierten, hauchdünnen Scheiben die man zu einem Kegel formte sowie einem groben, eher mild abgeschmeckten Ragout unter dem Fisch.
Der Fenchelschaum hatte auch dezente Anis-Noten wie ich fand, ich kann mich aber auch täuschen, vielleicht war es Wunschdenken, er harmonierte jedenfalls schön mit dem Heilbutt.
Der Chardonnay von Sinß war eine deutliche Steigerung zum Veltliner, aber das ist ja in der Dramaturgie von Menü und Weinbegleitung auch so gewollt (zudem war auch zur Suppe kein eigener Wein vorgesehen, er war reine Nettigkeit von Herrn Schmid!), er bestand gegen den Kürbis und insbesondere das gut gewürzte Püree, ohne mit zu viel Wucht den Fisch zu erschlagen.
| Sorbet |
Kalamansisorbet mit zweierlei Walnuss
Kalamansi Bellini
(Ich werde alt, ich habe vergessen ein Foto zu machen, unfassbar!)
Ein erster Löffel wurde verkostet, andächtiges Raunen von Thomas zu meiner Linken, interessierte Blicke um uns herum, tja Pech gehabt, Augen auf bei der Speisenwahl!
Ich gebe zu, ich musste Kalamansi auch zunächst googlen um zu recherchieren, was ich seinerzeit bei Wikipedia dazu geschrieben hatte *hüstel*.
Die natürliche Kreuzung von Kumquat und Mandarine wurde als Sorbet in einer Nocke serviert, begleitet von etwas Walnuss-Crumble und einem dunklen Stückchen fermentierter Walnuss dessen Süße fantastisch mit der Säure des Sorbets funktionierte.
Die Konsistenz des Sorbets eine Wucht, cremig und doch fest ohne im Ansatz kristallin zu sei, großes Kino in einem kleinen Gang.
Ich hoffe man sieht mir diesen banalen Vergleich nach, man stelle sich das Ganze vor wie die absolute Gourmet-Variante des legendären „Capri“ Stiel-Eises von Langnese, mit dem Unterschied natürlich dass die herrliche Frucht dieses Sorbets natürlichen Ursprungs war im Gegensatz zum Produkt der Eis-am-Stiel Schwerindustrie.
Selbst hierzu hatte Herr Schmid eine passende Antwort, ein Bellini mit Riesling Sekt und Kalamansi-Püree – das diese Weinbegleitung nur 32 Euro gekostet hat ist im Verhältnis zur regionalen Konkurrenz an dieser Stelle mehr als erwähnenswert.
| Hauptgang |
Rosa gebratenes U.S. GOP Flanksteak mit Wirsingpraline, Berner Kartoffelrösti und Speckschaum
2011 Syrah/Grenache, Quintessenz, Chateau Pesquie, Cotes du Ventoux, Rhône
Das Flanksteak esse ich gerne, mein Lieblingssteak wird es nie, da sind mir Rumpsteak und Ribeye immer noch lieber und durch die Nähe zur Niere ist diese Partie manchmal mit etwas animalischen Noten behaftet wie ich finde, vor allem wenn es nicht gut gereift wird.
Davon konnte hier aber keine Rede sein, die Greater Omaha Packers stehen für hormonfreie Weidehaltung, Maisfütterung am Ende der Zucht und sind auch in der heimischen Küche oft meine erste Wahl bei amerikanischem Rindfleisch.
Das Fleisch hatte wohl um die 53 Grad Kerntemperatur als es aus dem Rohr kam - denkbar auch Sous Vide mit Nachbraten - und es war sehr saftig sowie außen mit einer schönen Pfeffernote versehen, die Tranchen wurden mit an Murray River Salt erinnerndes grobes Salz gewürzt.
Die Röstis perfekt und frisch aus der Pfanne, die Wirsingpraline glänzte mit knackigem, gut blanchiertem Gemüse und einer eleganten wie bodenständigen Füllung aus fein gearbeiteten Wirsing-Streifen, Speck und Sahne, etwas Muskat kam durch, hatte im positiven Sinne etwas von Omas Wirsingeintopf.
Obwohl man mir sagte, dass zum Steak auch ein Jus serviert würde, kam ich nicht umhin mir noch eine bei einem anderen Gericht erspähte Sauce Foyot zu bestellen, deren lächerlich günstige Berechnung mir fast die Schamesröte ins Gesicht trieb, als ich den Bon sah.
Kurz zuvor hatte Obacht noch ihren Hauptgang erhalten und ließ mich in fast entrückter Begeisterung ihren Jus probieren, der war nicht von dieser Welt und ich freute mich auf meinen.
Und jetzt komme ich zu einem Punkt, der jede Kleinigkeit, die man mit der nötigen „Ich finde überall was“-Haltung an diesem Menü vielleicht hätte bemängeln können mit Urgewalt in den Bereich unnötiger Möchtegern-Michelin-Kritiker Allüren verweist: Die Saucen!
Die Sauce Foyot, die mit Fond veredelte Bernaise war eine Offenbarung, besser kann man diese nicht zubereiten, der frische Estragon und der feine Fond, diese Cremigkeit, seufz…. und wie wir ja seit Kurzem aus der Gastro-TV-Show „Dein Lokal – mein Lokal“ wissen, ist es ja in Solingen gar nicht so leicht, eine selbstgemachte Bernaise zu bekommen… :-))))
Gleiches gilt für den Jus, der ebenfalls in mehr als ausreichender Menge in einer kleinen Porzellan Sauciere serviert wurde: intensiv und mit makelloser Konsistenz ohne wie Kleister auf dem Teller zu stehen und völlig überwürzt zu sein. Das war Saucen-Oberklasse und in Solingen in dieser Form nicht unbedingt an jeder Ecke zu bekommen - ach was Solingen, lächerlich, mindestens das gesamte Bergische Land sollte man bei dieser Äußerung mit ins Kalkül ziehen.
Die von Herrn Schmid dazu servierte Cuvée hatte trotz der geballten Ladung auf dem Teller keine Probleme zu bestehen: Opulenz (auch in der Nase), Wucht, intensive Frucht und feine Mineralität, ein wirklich brauchbarer Wein zu Gerichten mit Röstaromen, auch zu Lamm sicher toll.
| Käsegang |
Getrüffelter Brillat Savarin mit Feldsalatpesto und Pinienkernen
2013 Viognier, Weingut Gies-Düppel, Pfalz
(Ich werde sehr, sehr alt, diesmal nur ein Foto eines bereits halb vernichteten Tellers…)
Ein kleiner Käsegang mit Liebe zum Detail, der nach Jean Anthelme Brillat-Savarin benannte, handgeschöpfte Weichkäse wurde mit einer großzügigen Schicht Alba Trüffel veredelt, diesmal nicht von Waltmann sondern im Hause!
Der Feldsalat mit einem klaren, leicht süßlichen Dressing veredelt, das Pesto gefiel mit seiner Gradlinigkeit und der eher leichte Wein vereinte duftige, florale Frucht in der Nase mit Würze und Mineralik auf der Zunge.
Ich gebe zu, zu einem heimischen Käsebrett mit sehr reifen Rohmilchkäsen wähle ich immer den gleichen dicken Brummer wie meist zum Hauptgang - oder greife hin und wieder zu Port.
| Dessert |
Birnenvariation mit Florentiner und Mandel-Vanilleparfait
2011 Scheurebe Chenin-Blanc, Weingut Bercher, Burkheim Baden
Das ich mir nicht viel aus Schokolade mache, erwähne ich ja ungefragt gerne bei jeder Gelegenheit, umso mehr erfreute mich dieses Dessert – auch wenn doch Schokolade im Spiel war.
Obachts Schatzl und ich waren uns sehr einig, auch das Dessert war nicht aus der Abteilung „Hobbykoch mit Teilzeit-Ambition“, das war abermals routiniertes Profihandwerk, in Präsentation, Verarbeitung und Geschmack.
Eine pochierte Birne, ein Tatar, ein Sorbet, eine Nocke Schokomousse sowie das Mandel-Vanilleparfait, alles auf einem hübsch gepinselten Spiegel einer hochwertigen Schokolade.
Hier und da etwas Zimt im Spiel, einige flankierende Gewürze bei der pochierten Variante, das cremige Parfait mit einer intensiven aber nicht überbordenden Vanille-Note, auch hier wieder kein einziger Eiskristall, oft lasse ich beim Dessert gerne etwas liegen, den Gedanken hatte ich hier nicht im Ansatz.
Den Florentiner habe ich entweder übersehen, oder meine fantasielose Grobschlächtigkeit hat dieses oblaten-artige, wohlschmeckende Ding in der Schoko-Mousse nicht als solchen zu erkennen vermocht.
| Digestif & Petit Fours |
Kekse :-)
Connemara Peated Single Malt, Kilbeggan Distilling, Connemara
Laphroaig 10 Years Islay Single Malt
Ich gönnte mir den gleichen Iren wie im April, denn der gefiel mit außerordentlich gut. Thomas bestand darauf, den Torf quasi in flüssiger Form zu sich zu nehmen, mit Laphroaig ließe sich sicher auch trefflich düngen wenn es nötig wäre…
Obacht und Thomas inhalierten die Petit Fours, ich träumte von einem Käsebrett, es wurde gelacht, draußen stürmte es und der Regen peitschte an die talseitigen Scheiben, eigentlich ein seliger Moment.
Herr Gerberding, der junge Betriebsleiter und Chef de Cuisine, kam noch zu den Gästen und nahm sich viel Zeit für Feedback und etwas Plaudern über seine Philosophie und Aussichten auf das nächste Jahr. (An dieser Stelle möchte ich mal eine Lanze für den armen Kerl brechen, so unfröhlich, wie ihn Obacht beschrieb ist er nun auch nicht. :-)) Ich hatte am Sonntagmittag im Bistro (ich hatte am Freitagabend etwas liegen lassen, abgeholt und bei der Gelegenheit einen Burger neutralisiert) einen wesentlich gelösteren Maître vor mir.)
Als wir noch bis viertel nach zwölf zusammen saßen und es noch richtig nett wurde, erst da wurden wir dank der vereinzelten Push-Nachrichten auf einigen Smartphones (Empfang je nach Netz sehr schlecht in dieser Ecke) gewahr, was in Paris soeben geschehen war und noch immer geschah. Ich war daher froh, dass die liebe Obacht anbot, mich und Thomas noch mitzunehmen, weil das unsere kurze Heimreise doch erheblich beschleunigte.
So schön der Abend war, umso trauriger, dass sich Freude und Leid an diesem Abend in der Erinnerung der Anwesenden sicher für immer verbinden wird, meine Gedanken waren bis spät in der Nacht bei den Opfern und deren Familien.
Fazit
Die Küche hat mich abermals voll überzeugt, die Gerichte sind stimmig komponiert und die Komponenten für sich kleine, gut abgeschmeckte Köstlichkeiten, auch die Orchestration des Menüs hat mich wieder sehr glücklich gemacht – ich hatte diesmal nicht einen Änderungswunsch, Zeichen und Wunder!
Trotz minimaler Schwächen komme ich um 5 Sterne diesmal nicht herum, vor allem wenn man sich den Menüpreis auf der Zunge zergehen lässt, die Küche kann sich in Details mitunter noch entwickeln, hat sich aber schon eine mehr als solide Basis erkocht.
Zu Ambiente habe ich keine Worte mehr verloren, ebenso zur makellosen Sauberkeit, hier kann man nur Höchstnoten vergeben. Besonders zu erwähnen die Tatsache das man sich trotz der klaren Linien nicht wie in einem kalten, postmodernen Gourmet-Tempel fühlt: es bleibt gemütlich, vor allem im vorderen Raum.
Der Service hat es verstanden, die Leistungen der Küche nochmals zu übertreffen, wenn Obacht schreibt sie hätte gerne dem Ambiente 6 Sterne gegeben, dann ich dem Service und insbesondere dem Sommelier - Marc Schmid wäre eine Zierde für jedes Haus, egal welcher Kategorie.
Ich halte die Karte im Auge und werde gerne wiederkommen, nach Küchenreise eine klare 5.