Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Nachdem ich das in einer wenig pittoresken Seitengasse der Fußgängerzone gelegene Lokal (immerhin mit frühlingshaft-grünem Müllcontainer vor der bodentiefen Glasfront) gefunden hatte, trat ich als Dritter von nach und nach 11 erwachsenen Mittagsgästen ein. Außer einer weiß gekachelten Wand erinnert mich nur wenig an die ehemalige Backstube.
Mit verschiedenen Details wird versucht, das Ambiente einer Wohnküche zu vermitteln; wie ich finde, recht erfolgreich. Schön fand ich die Musikauswahl, die durch etliche Langspielplatten (Die Jüngeren googeln, bitte.) der Siebziger und Achtziger angekündigt wurde. Zur lebendigen Atmosphäre tragen sicher auch die Gespräche der jungen Küchenjungs bei, die teilweise mit im Service agieren. Alles ungekünstelt, aber freundlich. Weder übertriebene Coolness, noch unangemessene Kumpelhaftigkeit. Der Service wurde im Wesentlichen von einem der auch nur etwas älteren Inhaber professionell gewuppt, dabei blieb er auch an den anderen Tischen gern für einen Schwatz stehen, ohne Wartezeiten entstehen zu lassen. Auf meine Bitte, die Karaffe Leitungswasser am Tisch stehen zu lassen, kündigte er selbstbewusst jederzeitiges Nachschenken an und hielt dieses Versprechen. Als er zeitweilig zu einem Handwerkertermin nach Hause gerufen wurde, übernahm sein Kompagnon, der bis ins letzte Jahr als Küchenchef im Esszimmer tätig war, jetzt aber das Zweitlokal Cho & Riso managt, eine Tapas- und Cocktailbar am anderen Ende der Innenstadt. Da er auch Sommelier des Hauses war, konnten wir erfreulicherweise schon viele meiner „kleinen Wünsche“ klären. Schön, dass dazu auch eine Auswahl aus dem überraschend eigenständigen Tapas-Angebot (s. Homepage Cho&Riso) gehört, ebenso eine spannende Negroni-Variante zur Begrüßung. Schade, dass die Bar bei unserem Besuch geschlossen ist; dort wäre ich gern versackt...
Aber zurück zum knallharten Probe-Essen:
Der erste Winzersekt war - na, klar - müde. Aber mit einem „Da diskutieren wir nicht, da machen wir eine neue Flasche auf!“ kam ein perfektes Glas an den Tisch.
Meine Bitte neben einem „echten“ Hauptgericht eine Auswahl der Mittagskarte in abgespeckter Version zu erhalten, wurde erst zögernd quittiert. Da aber die Gerichte überwiegend „mit der Kelle“ portioniert werden konnten, war es letztlich ebenso wenig ein Problem wie ein Wechsel der Beilagen. Dies auch am Nebentisch, wie überhaupt erkennbar versucht wurde, es den Gästen recht zu machen. Das Auseinanderrücken eines Vierertisch war kein Ding, wurde sogar angeboten und eine auswärtige Familie auf Englisch nicht nur abgefertigt, sondern auch beraten. Nur WLAN ist nicht (mehr) im Angebot, weil die schon erwähnten Studierenden allzu lange mit allzu wenig Umsatz die vielleicht 25 Plätze blockierten.
Meine Wahl war auf die vietnamesische Pho gefallen (denn der Küchenchef hat vietnamesische-chinesische Eltern), auf Hühnerfrikassee, ein Massaman-Curry mit Jasmin-Reis, das Carsten empfohlen hatte und als Hauptgang die Rinderroulade.
Die Brühe
war fleischig und süffig, die Rindfleischstreifen erfreulich rosa und ungemein zart und die Nudeln gefielen mit Biss, einem leicht süßlichen Teig, der das raue Mundgefühl frischer Ware hatte. Als Beilagen die üblichen Verdächtigen: Koriander, Chili, Limette und eine Hoisinsauce, die mich mit einem feinen Geschmack nach Tamarinde überraschte und weder zu salzig noch penetrant süß war. Ein paar mehr frische Kräuter wären schön gewesen, aber sonst gab es überhaupt nichts zu meckern. Sehr lecker und genau richtig zum Durchwärmen, denn an der Fensterfront war es nicht wirklich kuschelig.
Der Chef fragte von sich aus, wie schnell ich die weiteren Gänge haben wolle; auch das professionell.
Beim Hühnerfrikassee
gefiel mir das zarte und saftige Brustfleisch vom Sauerländer Biohof. Während der Jasminreis für meinen Geschmack zu weich war, wurde das auf der Karte in Aussicht gestellte knackige Gemüse mit nur kurz sautierten rosa Champignons und punktgenau gegarten Karotten und Brokkoli auch geliefert. Die Sprossen fand ich entbehrlich; gut dagegen etwas knackiges FrüZwie-Grün. Sauber gemacht.
Danach kam mit dem Massaman-Curry ein sehr ähnlicher Gang.
Nur dass hier die durch Blumenkohl, Aubergine und Zucchini ergänzten Gemüse noch stärker im Mittelpunkt standen und entsprechend Carstens Ankündigung glänzten. Die pikant-würzige Soße etwas flüssiger und die hausgemachten Udon-Nudeln schön elastisch. Wenn vegetarische Gerichte geschmacklich immer so stark sind, ist mir vor der Fastenzeit nicht Bange.
Beim Hauptgericht (12,9€)
hatte die Küche vergessen, dass ich schon drei, wenn auch verkleinerte Gänge intus hatte. Der Berg an leicht buttrigem, ein klein wenig leimig gewordenem Kartoffelpüree war bei aller Mühe nicht zu schaffen. Dazu war schon das kräftig angeröstete Spitzkohl-Wurzelgemüse mit knackigem Biss zu lecker. Und die kleine Roulade war ein Träumchen. Allein der Duft! So, wie bei Muttern - wenn die es denn so gut hinbekommt... Kräftig angebratenes Rindfleisch, ebenso mürbe wie saftig, innen noch rosa. Einerseits mit einer ganz klassischen Füllung aus Speck, Zwiebel, Essiggurke und Senf.
Die aber andererseits sehr fein geschnitten war und so die würzigen, süß-sauren und scharfen Aromen fast elegant zusammen spielten. Dazu eine leicht gebundene Dunkelbiersauce, die ich etwas süßer erwartet hätte. Trotzdem: Mann, war das sonntagessenlecker!
Kollege Carsten hat es treffend beschrieben: Hier gibt es kein ChiChi, sondern „bodenständige“ Gerichte, nicht nur mit regionalem Hintergrund, aber immer immer sehr gut umgesetzt. Ins Esszimmer kann man bedenkenlos einkehren.
Inzwischen hatte ich mich auch durch die in der Tat ausbaufähige Weinkarte probiert. Was mir nicht schmeckte, musste ich nicht bezahlen - DAS nenn ich gastfreundlich! Erfreulicherweise fand mein Gastgeber im Keller auch noch ein paar nicht verzeichnete Bouteillen, die wir sogleich für die kommende Woche reservierten.
Beruhigt konnte ich die etwas ausgedehnte Mittagspause schließen und nach einem Espresso aufs Haus zurück an den bremischen Schreibtisch fahren.