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Auch von einem Karlsruher Feinschmeckerkollegen wurde mir das Restaurant von Alexander Schuh wärmstens empfohlen. Gerade das Angebot am Mittag schien wie gemacht für einen hungrigen „Wörther Grenzgänger“ wie mich, nicht zuletzt auch wegen des schnellen Anreiseweges. Letztlich erinnerte ich mich an die im März letzten Jahres ausgestrahlte Sendung „Mein Lokal, dein Lokal“, an der die Schuhs teilnahmen und dort eine passable Figur abgaben. Besonders die akribische Herangehensweise des Chefs bei der Herstellung seiner Jus blieb bei mir haften. Die Basics schien der Mann am Herd zu beherrschen. Ich war gespannt, was mich dort erwarten würde.
Mit dem Slogan „Frische Zutaten sind unser Rezept!“ wird auf der Homepage des Familienbetriebes geworben. Das angeblich vom „englischen Landhausstil“ inspirierte Innere des Lokals wirkte auf mich dagegen etwas bieder – alles andere als frische Kost! Sowohl der vordere Gast- als auch der hintere Nebenraum waren mir zu altbacken eingerichtet. Da hätte ich mir von dem jungen Gastropärchen mehr Mut zu zeitgemäßer Innenausstattung gewünscht. Beim seriös dekorierten „Hinterzimmer“, in dem die Hotelgäste ihr Frühstück einnehmen, kann ich das noch halbwegs nachvollziehen. Aber der eigentliche Gastraum müsste nicht den piefigen Charme rustikaler Eichentrends aus den 70er bzw. 80er Jahren aufrecht erhalten. Da gäbe es sicherlich andere, wesentlich freundlichere Lösungen der Raumgestaltung.
Gegen das viele dunkle Holz (Decke, Thekenbereich und Mobiliar) hatte das Tageslicht schwer anzukämpfen, was eine etwas gedämpfte Atmosphäre erzeugte. Auch der dunkle Fliesenboden bewies sich da nicht unbedingt als Stimmungsaufheller. Nun, es herrschte dadurch keine Tristesse, aber eine heimelige Gemütlichkeit wollte sich auch nicht so recht einstellen. Stattdessen regierte im Inneren ein angestaubter Provinz-Look in Form altmodischer Sitzbezüge, antiquierter Hängeleuchten und obsoleter Deko. Die große Digestif-Sammlung des Hausherrn verbaute zudem den Blick hinter den Tresen. Dort empfing mich Sarah Schuh bei beiden Besuchen auf sehr freundliche Art und Weise. Sowieso muss ich den Service der jungen Chefin explizit loben. Sie wirkte auf mich sehr souverän, gab gerne Auskunft und trug mit ihrer gut aufgelegten, aufmerksamen Art maßgeblich zum Wohlbefinden bei.
Behagen bereitete mir übrigens auch die Lektüre des Wochenmenüs, über dessen Komponenten eine aufklappbare DIN-A5-Karte informierte. Beim dreigängigen Mittagsmenü darf man sich zwischen einer saisonal wechselnden Suppe und einem bunten Blattsalat entscheiden. Den Hauptgang wählt man aus fünf verschiedenen Gerichten aus. Das reduzierte Lunch-Angebot versucht dabei ein möglichst breites Spektrum abzudecken und ist im 3-1-1-System aufgebaut. Dreimal Fleisch und jeweils einmal Fisch bzw. Vegetarisches ergeben eine klug zusammengestellte Auswahl, bei der eigentlich jeder etwas finden sollte.
Bei meiner ersten Einkehr vor ein paar Monaten hatten die Pfifferlinge noch Saison und die ersten Kürbisse waren Ende September auch schon reif. Kein Wunder also, dass bei zwei Gerichten aus der Mittagskarte das orangefarbene Herbstgewächs vertreten war. Mir sagten die Pfifferlinge im Hauptgang mehr zu, weshalb ich mich für die gebratene Perlhuhnbrust mit eben diesen und hausgemachten Spätzle als Beilage entschied. Als Vorspeise wählte ich die Cremesuppe vom Hokkaido. Im Menüpreis von 18,90 Euro war sogar noch ein Sorbet (irgendwas Beeriges) inklusive. Klar hätten mir auch die marinierten Scheiben vom sous-vide gegarten Flanksteak an Pfefferrahmsoße (im Menü für 19,90 Euro) zugesagt. Zumal ein Kartoffelgratin als Beilage lockte. Oder das panierte Schnitzel vom schwäbisch-hällischen Landschwein, das mit Fritten für gerade einmal 14,50 Euro (im Menü) zu erstehen war. Letzteres scheint ein regelrechter Schuh-Klassiker zu sein, den der Patron zur Mittagszeit kontinuierlich anbietet. Am Nebentisch sah ich einen jungen Mann das stattliche Teil gierig verzehren. Es schien ein nach allen Regeln der Panierkunst gefertigtes, nach Butterschmalz duftendes, anscheinend direkt aus der Pfanne gekommenes Schweinebratwerk zu sein. Ein Feiertags-Schnitzel, das man sich bei Alexander Schuh auch mal unter der Woche gönnen könnte, so mein Gedanke.
Das Auftragen der Speisen erfolgte recht zügig, was sicherlich dem für gewöhnlich knapperen zeitlichen Budget der Mittagsgäste geschuldet war. Die Kürbissuppe war tadellos abgestimmt und ließ die kraftvolle Gemüsebasis erahnen, die ihr geschmackliches Rückgrat bildete. Das nussig-süße Aroma der Hauptzutat war am Gaumen präsent und nicht von üblichen Würzverdächtigen wie Ingwer oder Chili erschlagen. Genau wie die mit Kokosmilch angesetzte Zitronengras-Currysuppe, die ich mir beim Folgebesuch einverleibte, geriet sie fast schon gebieterisch im Geschmack. Eins war mir nach dem ersten Löffel schon klar: hier wird nicht auf Kosten des Gastes experimentiert, sondern eine ehrliche, handwerklich einwandfreie Küche ohne aufwendigen Schnickschnack geboten.
Das saftige Fleisch der Perlhuhnbrust lag, von entsprechender Würze unversehens ins Mediterrane gewendet, neben dem deftigen, mit Zwiebeln, Speck und Petersilie verfeinerten Pfifferlingsragout, von dem ich mir etwas mehr Biss gewünscht hätte. Ein überschaubares Häufchen hausgemachter Spätzle begrenzte den rechten Rand meines Porzellan-Rechtecks. Begleitet von einem kräftigen, dunklen Saucenfond, dessen konzentriertes Fleischaroma auf eine lange Zubereitungszeit schließen ließ, war das ein feiner Mittagsschmaus, von dem ich auch eine etwas größere Portion locker geschafft hätte. Viel zu schnell war die Brust vom Perhuhn aufgezehrt. Und der vorzügliche, zum saftigen Fleisch gereichte Beiguss verlangte nach einer Extraportion Spätzle zum Auftunken. Aber beim Erstbesuch gibt man sich ja gerne etwas zurückhaltender. Im Stammlokal wäre wohl das Extra-Schälchen Sättigungsbeilage zusammen mit einer separaten Sauciere ohne Worte vorsorglich mitgeliefert worden.
Zusammen mit dem Sorbet des Tages – ich glaube es war Erdbeere – war das ein durchaus stimmiger Lunch in drei Gängen, den ich ganz alkoholfrei bei einem Glas Coca-Cola (0,4 l für 3,60 Euro) verbrachte. Die 22,50 Euro waren gut angelegt und lassen mich von einem ausgeglichenen Preis-Genuss-Verhältnis sprechen. Ein Eindruck, der sich ich auch bei meiner zweiten Stippvisite ein paar Wochen später bestätigte. Da hatte ich Pasta mit Pilzen in Kräuterrahmsauce als kleine Dessertüberraschung eine Panna Cotta mit Sauerkirschhaube. Zusammen mit der bereits erwähnten Zitronengras-Curry-Suppe war das für 15,90 Euro ein durchaus fair kalkuliertes Mittagessen, das ich in zeitgemäßerem Ambiente noch lieber genossen hätte.