"„An ihren Saucen sollt ihr sie erkennen…“ (1. Escoffier 2, 1-6)"
Geschrieben am 18.09.2020 2020-09-18 | Aktualisiert am 19.09.2020
"Schonkost im Grünen"
Geschrieben am 23.08.2020 2020-08-23 | Aktualisiert am 24.08.2020
Montag: | Ruhetag |
Dienstag: | 11:00 - 18:30 Uhr |
Mittwoch: | 11:00 - 18:30 Uhr |
Donnerstag: | 11:00 - 18:30 Uhr |
Freitag: | 11:00 - 18:30 Uhr |
Samstag: | 11:30 - 15:30 Uhr |
Sonntag: | Ruhetag |
"Climbing Mount Carpaccio"
Geschrieben am 28.06.2020 2020-06-28 | Aktualisiert am 28.06.2020
"Kennst Du den Hinterhof, wo die Zitronen blühn…"
Geschrieben am 21.05.2020 2020-05-21 | Aktualisiert am 22.05.2020
"Regional beseeltes, global inspiriertes Street Food mit Liebe zum Detail"
Geschrieben am 15.03.2020 2020-03-15 | Aktualisiert am 30.12.2020
Tja, da sitze ich wieder in meinem heimischen Arbeitszimmer, eine leere Word-Seite und ein blinkender Cursor starren mich erwartungsvoll an – und während eine nicht nur in Sachen Wetter traumhafte Woche in Garmisch-Partenkirchen hinter mir liegt, liegt vor mir auf dem Schreibtisch ein kleiner Berg Restaurant-Belege, der an meine kulinarischen Chronisten-Pflichten appelliert.
Diesem Appell werde ich gerne und mit Freude nachkommen, denn es gibt viel Schönes von den bayerischen Tellern zu berichten, Ausfälle gab es keine; der größte Betriebsunfall bestand darin, dass eines der schönsten Essen an einem wunderbaren Abend im Hotel Ammerwald zumindest hier nicht bewertet werden kann, da es einen Steinwurf hinter der österreichischen Landesgrenze liegt.
Auch wenn ich sicher einen Schwall derber oberbayerischer Flüche von Garmischs berühmtester, nach neuen Rezensionen aus ihrem Heimatort dürstenden Food-Fotografin zu erwarten habe, möchte ich zunächst als kleine Aufwärmrunde und textliche Fingerübung mein spontanes vorgestriges Mittagessen an der kulinarischen Heimatfront bewerten, die alpinen Gaumenfreuden und andere bildgewaltige Erlebnisse möchte ich schließlich in angemessener Betriebstemperatur würdigen.
Der Mittwoch sollte sich in Sachen Wetter nahtlos an die paradiesischen Zustände im Werdenfelser Land anschließen, Leichtigkeit und Lebensfreude durchdrang ihn, vor allem nachdem der HNO Arzt meines Vertrauens am Vormittag das Hörvermögen meines rechten Ohres wiederhergestellt hatte, das nach ein paar Bahnen im Pool am Montagabend quasi nicht mehr vorhanden war.
Nach der Reparatur meines Ohres fühlte ich mich wie neugeboren, kurzentschlossen cruiste ich untertourig entspannt nach Solingen-Ohligs, weil ich hoffte in einer der drei dortigen Buchhandlungen – Ohligs ist m.E. der einzige Solinger Stadtteil, der noch über eine halbwegs intakte Fußgängerzone mit inhabergeführten Fachgeschäften verfügt – den neu erschienenen Bildband „Wolfszeit – ein Jahrzehnt in Bildern“ von Harald Jähner zu ergattern, was auch gelang.
(Denkbar Off-Topic, aber: Wer sich auch nur einen Hauch für deutsche Zeitgeschichte interessiert, sollte sich den schon 2019 erschienenen, mit Preisen überhäuften Bestseller, sowie den Bildband einmal näher anschauen, die Fotos berühren, erschüttern oder unterhalten je nach Kontext auf ihre ganz eigene Art und Weise und der begnadete Erzähler Jähner ordnet ein, kommentiert und informiert in brillanter Manier.)
Kurzentschlossen kaufte ich noch einen Krimi für die Mimi und befand mein literarisches Jagdglück sollte mit einem späten Mittagessen gewürdigt werden. Das Hitzefrei hatte ich –aus Gründen -seit Jahren nicht mehr besucht, draußen waren noch einige Tische frei, ich kurz vor dem Verdursten, also direkten Kurs auf die Möchtegern-Sansibar in der Grünstraße 16, routiniert legte die MS Shaneymac an der dortigen Kaimauer an, hach, doch, ein schöner Tag…
Kritik
Das Hitzefrei ist eine mittlerweile eine echte Ohligser Institution, breit aufgestellt bespielt man die Bühnen „Restaurant“, „Bar“ und „Club“ gleichermaßen, Catering ist ein weiteres Standbein des Betriebes der Ohligser Familiendynastie Hitzegrad.
Das altehrwürdige, 1911 gegründete Familienunternehmen Hitzegrad wurde in grauer Vorzeit als Vertrieb für Molkereiprodukte gegründet und belieferte seit jeher die örtliche Gastronomie und andere Abnehmer. Mit den Jahren kam die Feinkost hinzu, ein kleiner feiner Supermarkt direkt neben dem Hitzefrei existiert noch heute, man bewirtschaftete und besaß einige Jahre die Ohligser Festhalle, heute richtet man Events und Bankette in der Wasserburg Haus Graven aus, man macht in Immobilien und ist fest im Ohligser Klüngel verwurzelt.
Letzteres wird auch offenbar, wenn man Samstags am späten Vormittag am Lokal vorbeischlendert, die Steppwesten- und Pastellfarben-Polohemd-Dichte ist extrem hoch, die Damen präsentieren bisweilen gerne Haute Couture Sonnenbrillen der Gattung „Schlechter Geschmack muss nicht billig sein!“ – sehen und gesehen werden, ein wenig töttern, ein gerüttelt Maß Vanitiy Fair in der rheinisch –bergischen Provinz.
Ich selbst habe im Hitzefrei erst zweimal vor Ort gegessen, vom letzten, sicher sieben, acht Jahre zurückliegenden Besuch erinnere ich vage ein grausames Lunch-Buffet, lebendiger sind da Erinnerungen an viele Gelegenheiten, zu denen mir meine Madame von ihren weiland dort regelmäßig stattfindenden „Mädelsabenden“ zu vorgerückter Stunde das ein oder andere späte Abendessen mit heimbrachte.
Diese Speisen blieben stets geschmacklich eher unauffällig und in der Abteilung Saucen und Dips meldete der Gaumen sich meistens sehr schnell mit Convenience-Argwohn, was sich mit vielen Stimmen aus der Stadt deckt, sofern sie nicht aus der obig erwähnten Steppwesten-Stammgast-Fraktion stammen – und selbst von dieser Klientel hörte ich gerne mal Klagen, soll ja nicht heißen, dass das Tragen sündhaft teurer Oberbekleidung einen sofort zur kulinarischen Unmündigkeit verdammt.
Ein Einkaufsbummel gab mir Gelegenheit für eine erneute Tuchfühlung mit der gefälligen, typischen Innenstadt-Küche in leicht juveniler Aufmachung, die Karte offeriert einen kleinen Steakbaukasten, Schnitzel, Salate, ein wenig Pasta und Fingerfood, durchaus gut klingende Burger, etwas ideenloses Veggie-Gedöns – die Karte macht keine Experimente, soviel ist festzuhalten.
Parken ist in Ohligs eigentlich meistens ein relativ entspanntes Thema, nachdem ich beim bedächtigen Vorbeirollen an der vor dem Lokal liegenden Außengastronomie für vibrierende Gläser sorgte – wer den dezenten Auftritt schätzt, ist mit meinem Sommervehikel NICHT gut bedient - konnte ich mein Gefährt direkt hinter der Terrasse abstellen und mich dank papierloser Nutzung der Park Now App sogleich als unglaublich moderner Parkraum-Kunde wähnen.
Das Lokal wirkt innen wie außen mit seinem maritimen Vintage-Flair und dem weißen Holz ein wenig wie der Versuch, Inselflair mit leichten Sylt-Noten in die Nähe der Ohligser Fußgängerzone zu zaubern - mir gefällt es leidlich weil es kein gewachsener Flair ist; die Kernzielgruppe liebt es.
Was ich allerdings fürchterlich finde ist die visuelle Gestaltung der die Tische von der Straße trennenden Holzkonstruktion, es macht den Eindruck einer mit Werbung beladenen Bande in einem Fußballstadion und damit billig; einheitlich schwarz oder weiß, dazu das Restaurant Logo, das hätte ungleich mehr Stil.
Ich fand ein schattiges Plätzchen und wurde kurz darauf von einer junggebliebenen Endvierzigerin in sportlicher Jeans- T-Shirt- Sneaker Kombination begrüßt, die Dame vom Service machte den Eindruck eines altgedienten Gastro-Gewächses, was das rau-herzliche Timbre ihrer Stimme noch weiter unterstrich.
Noch etwas unentschlossen blättere ich durch die Karte, deren Vorliebe für Hochglanz Stock-Fotos irgendwelcher Katalogmodels in karibischem Ambiente hat sich über die Jahre offenkundig erhalten:
Eine gegen den Durst bestellte Bio-Apfelschorle erreichte den Tisch nach wenigen Minuten, die gut gekühlte Flasche von Fritz wusste mit ihrem Inhalt zu gefallen.
Ich hatte mich zwischenzeitlich entschieden und bestellte, am Tisch hinter mir erholten sich zwei Frauen von etwas Shopping, meine handfest-freundliche Kellnerin fragte dort nach der Zufriedenheit mit dem kurz zuvor servierten Essen: „Also wenn ich ehrlich sein soll, das schmeckt gar nicht, das Huhn ist derart totgebraten das man es kaum essen kann.“ hörte ich von dort in freundlichem Tonfall.
Anstandslos wurde das Gericht sofort zurückgenommen und man versprach sofortige Besserung bei einer erneuten Zubereitung des gesamten Tellers mit begleitender Currypasta und Gemüsestreifen.
Kleiner Spoiler: Der neue Teller unterschied sich dem Vernehmen nach nur minimal vom ersten Versuch, was der Dame fast schon unangenehm war, sie aber trotzdem den Service wissen ließ, worauf das Gericht auch nicht berechnet wurde. „Immerhin“ dachte ich mir, als hungriger Gast wäre mir ein gelungenes Essen sicher dennoch lieber gewesen…
Womit ich ohne Umschweife zu meinem kleinen Imbiss komme:
Rumpsteak 200 Gramm, Pommes Frites, Whiskey-Pfeffer-Sauce – 18,40€
Gut, die Anrichtung der Pommes in kleinen Frittier-Körben ist in 2020 sicher schon merklich in die Jahre gekommen, mir gefällt es dennoch immer noch gut, allemal besser als der übliche fleischbegleitende Scheiterhaufen.
Auch das Steak gefiel mir optisch gut, der Grill hatte deutliche Spuren hinterlassen, obenauf ein grober Steakpfeffer-Mix, Fleur de sel sowie ein kleines Stück Kräuterbutter.
Auf diese Butter war ich gespannt, bestellt man sie separat als Beigabe zum Steak wird diese - in dann natürlich größerer Menge - mit 2,50€ berechnet was ich im preislichen Kontext des Baukastens in etwa so ambitioniert finde, wie die 3,50€ für meine Whiskey-Pfeffer-Pam… pardon….Sauce; aber dazu gleich mehr.
Ich bestellte mein Steak medium, weil ich zu diesem Preis nicht wirklich das beste Fleisch erwarten konnte und ich bei meinem bevorzugten medium-rare dann manchmal Probleme habe, es mit Genuss zu verspeisen wenn mich der Eigengeschmack nicht überzeugt.
Ein beherzter Mittelschnitt offenbarte eine Punklandung, saftig war es auch, das Fleisch roch appetitlich, da hat jemand seinen wohltemperierten Grill im Griff: zufrieden tranchierte ich eine Hälfte, ein recht brauchbares Steakmesser mit Wellenschliff leistete dabei gute Dienste.
Die erste Tranche probierte ich solo mit etwas von dem Steakpfeffer und war durchaus angetan, die ansprechende Optik hielt ihr Versprechen an den Gaumen ein; zu einem Preis von 11,90€ (+3€ PF, +3,50 Sauce) kann man hier von einem fair kalkulierten, guten Stück Fleisch sprechen.
Sehnen waren keine zu entdecken und der Fettdeckel wurde für meine Begriffe schon etwas zu sehr pariert, aber das kann man schon so machen und auch wenn man zu diesem Preis natürlich keine Premium-Ware mit generösen Mengen intramuskulärem Fettes erwarten kann war das Steak in keiner Weise trocken.
Da eine gute Steaksauce mit Cognac und grünem Pfeffer (am liebsten eine klare, ohne Sahne oder Crème fraîche) für mich einen kleinen Hochgenuss darstellt bestellte ich vorfreudig die in einer kleinen Sauciere gelieferte Whiskey-Pfeffer-Variante.
Schon das Angießen verhieß nichts Gutes, die Konsistenz war schon im noch warmen Zustand als eher pappig zu bezeichnen, was man anhand des Tellerbildes sicher schon erahnen kann.
Ich tunkte ein paar von den – gelungenen – Pommes Frites hinein und war sogleich resigniert, was ein direkt hernach erfolgender Versuch mit einer Tranche Fleisch bestätigen sollte.
Die Sauce selbst war von einer diffusen, eindimensionalen Salzigkeit geprägt, dazu leicht alkoholische Noten vom Whiskey die wie ein aromentechnischer Nachgedanke anmuteten, so als hätte jemand im letzten Moment einem Schuss Whiskey zugefügt. Dazu der alles überlagernde, üppig vorhandene grüne Pfeffer, der gegen diesen lauen Unterbau natürlich leichtes Spiel hatte.
Nach den kreuzehrlichen, wuchtigen Soßen- Preziosen im Alpenland war diese Fundament-befreite Pampe ein kleiner Schlag ins Gesicht, und dabei ist eine solche Sauce auf Basis eines guten Fonds in handwerklich gut gemacht doch so eine beglückende Angelegenheit.
Auf einer denkbar basalen Ebene erfüllte sie natürlich dennoch ihren Zweck, auf der Genussebene jedoch hat sie das eigentlich so positiv beginnende Essen ruiniert.
Die zweite Hälfte des Steaks genoss ich dann solo – auch weil die Sauce mittlerweile die Konsistenz eines missglückten Tütenpuddings angenommen hatte - und hielt mich an das kleine Stück Kräuterbutter, das mich wieder extrem besänftigte, eine spürbar präsente Estragon Note und weitere Details verrieten eine hausgemachte Komponente, im Nachhinein wäre sie wohl die bessere Wahl gewesen; selbst in Kombination mit einem guten Ketchup wäre der Genussfaktor höher gewesen als mit meinem kleinen Saucendebakel.
Zumindest sorgte der Salzgehalt dafür, dass ich noch den Getränkeumsatz ankurbeln konnte, das 0,25l Gerolsteiner in der Gastroflasche sollte faire 2,00€ kosten, ließ aber fast 10 Minuten auf sich warten.
Das Potential mir den schönen Tag zu versauern hatte der kleine Saucen-Reinfall natürlich nicht, ich zahlte in bar, ließ die Dame vom Service meine Meinung zum Saucerien-Inhalt wissen und sinnierte schon auf der Rückfahrt über die ein oder andere passende Formulierung, ganz nach dem bewährten Motto: Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus!
Abschließend noch etwas zum Thema Corona, weil es mich im Nachgang geärgert hat. Das mir erst zu Hause auffiel, das es im Außenbereich keinerlei Gästeregistrierung gab (es lag nichts aus und man forderte mich auch nicht dazu auf) ist das eine, der Service trug Maske und am Eingang zum Restaurant standen Desinfektionsmittel bereit.
Auf meinem Tisch lag jedoch nur ein papiernes Tischset, leider nicht an meinem Platz. Dies führte dazu, dass ich mein gerade gekauftes Buch, in das ich einen Blick warf um die Wartezeit zu überbrücken, direkt auf den Tisch legte.
Da ich mein Talent in dieser Hinsicht kenne, schaute ich noch kurz nach Saucen-Flecken o.ä. und dachte noch „Ach, wegen Corona wird ja eh jeder Tisch desinfiziert, da wird schon nichts sein…“ und entdeckte dann daheim auf dem Buchrücken (weiß…..) prompt einen 2 Euro-Münzen-großen Ketchup-Fleck der von einem angetrockneten solchen auf dem Tisch stammte.
Auch während meines Besuches kann ich mich an keine Desinfektions-Bemühungen an den Tischen erinnern; ich bin nicht zimperlich aber ich empfinde das als No-Go, selbst vor Covid wird man ja erwarten dürfen, einen sauberen Tisch vorzufinden….
Fazit
Viel Licht überlagert von einem übermächtigen, pappig- eindimensionalen Saucen-Schatten, das Steak, die ungemein leckere Kräuterbutter und die nette Aufmachung retten haarscharf drei Sterne für die Gesamtleistung.
Die Dame vom Service burschikos freundlich-zuvorkommend, mein Saucen-Leid nahm sie sehr aufmerksam zur Kenntnis und versprach es eins zu eins weiterzugeben, zwischenzeitlich etwas unkoordiniert, vier Sterne hierfür.
Das Ambiente ist bemüht, arkadische Zustände tranquiler Glückseligkeit erreicht man in der Außengastro auf der Ohligser Grünstraße eher nicht, drei Sterne hierfür.
Wenn auch bei der Service-Bewertung nicht berücksichtigt, bei der Sauberkeit tue ich dies, zwei Sterne für mein verschmiertes Buch auf einem nicht gewischten bzw. desinfizierten Tisch in Corona-Zeiten.
Wenn die Sauce gelungen gewesen wäre, wäre ich beim PLV bei vier oder sogar viereinhalb gelandet. Mit dem geschmacklichen Eindruck eines gepimpten Fertigproduktes auf dem Gaumen in Summe wegen der vergleichsweise „teuren“ Saucenposition auch hier nur drei Sterne.
Ich würde trotzdem für ein kleines Lunch-Steak wieder hereinschauen wenn es sich ergibt, der aufmerksame Leser weiß aber sicher, welche Beigabe ich dann sicher nicht wieder bestelle…