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Ranschbach? Da war doch was? Ach ja richtig, wären wir dort rund 40 Jahre früher aufgeschlagen, hätten wir uns gleich noch einen Schoppen Wasser von der Heilquelle – die Berichte der Bildzeitung über angebliche Wunderheilungen nach dem Konsum jenes Quellwassers lösten im Jahr 1983 einen regelrechten Massenansturm von Besuchern aus – abgezapft.
Ich sag mal so. Auf dem Rückweg von der Pizzeria Calabria hätte uns das Nass aus dem overhyped-ten Ranschbacher Gesundbrunnen sicher gute Dienste geleistet. Denn vom bösen, nach dem Verzehr der viel zu salzwürzigen Teigfladen einsetzenden Nachdurst hätte uns das Wasser von der Kaltenbrunn-Quelle mit Sicherheit „geheilt“…
Aber wie immer schön der Reihe nach. Wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Ausflug in das verschlafene, am gleichnamigen Fließgewässer befindliche 600-Seelen-Dorf westlich von Landau?
Meine Schwiegermutter aus dem fernen Bremen schenkte mir vor geraumer Zeit ein Gutscheinheft, in dem auch ein Bon der seit 2021 von Ali Dagci geführten Pizzeria Calabria auf seine Einlösung wartete. Genauer gesagt handelte es sich bei dieser Einkehradresse um den Schlemmerblock-Award-Winner 2023 („Südliche Weinstraße und Umgebung“), den wir an jenem sommerlich warmen Donnerstagabend Ende Juni auf Pils und Fladen prüfen wollten.
Da zwei von uns sowieso vorhatten, sich im benachbarten Birkweiler „beim“ Cambeis (= Garten- und Getränkemarkt der kultigen Sorte) mit hellen Bieren aus dem südöstlichsten Freistaat der Republik einzudecken, lag ein Besuch des etwas außerhalb von Ranschbach, direkt neben dem Sportplatz gelegenen Lokals quasi auf dem Weg. Wir parkten unser Auto in unmittelbarer Nähe des Anwesens und steuerten zielstrebig die rückseitig gelegene, zu diesem Zeitpunkt noch völlig verwaiste Veranda an.
Auf der ostseitigen Terrasse aus war leider kein Trifelsblick möglich...
Dort nahmen wir auf zurückhaltend gepolstertem Gartengestühl Platz und blickten auf ein verwildertes Fußballfeld, auf dem bestimmt schon lange nicht mehr gekickt wurde. Weiter hinten wurden eifrig die Tennisschläger geschwungen. Auch ein Beachvolleyballfeld war zu erkennen. Sportlich, sportlich diese Ranschbacher!
Von einer weiblichen Servicekraft wurden wir zeitnah und in schriftlicher Form über das hier angebotene Speisenangebot informiert. Knapp 30 verschiedene Pizzen, deren Namen und Beläge in den meisten gängigen Teigfladentempeln auftauchen, listete die Literatur. Auch ein knappes Dutzend Salate und das übliche, standardisierte Pastaprogramm – Penne, Rigatoni, Tortellini, Gnocchi und Spaghetti wurden mit den dafür typischen Saucen eifrig durchdekliniert – wartete auf uns, den harten Kern der Wörther Gourmandgesellschaft.
Das frisch gezapfte Pils von der Karlsberg Brauerei aus dem saarländischen Homburg kam für faire 3,80 Euro ins 0,4l-Glas. Am Schluss standen vier davon auf der Rechnung.
Homburger Hopfengold
Auch beim Viertel Riesling übertrieb man es preislich keineswegs. Die schmalen 3,50 Euro waren definitiv gut angelegt. Aber hallo, schließlich befanden wir uns hier inmitten der Ranschbacher Weinbergslandschaft. Die Flasche Mineralwasser (0,7l) schlug mit 4,80 Euro auch nicht gerade überteuert zu Buche.
Ich gönnte mir vorweg einen kleinen Nizza-Salat (8 Euro). Ein Kollege bestand derweil auf den Beilagensalat in klein (4,50 Euro). Alle drei versuchten wir uns an einer Blechpizza aus Herrn Dagcis Küche. Der Beilagensalätler entschied sich für die mit Salami, Schinken, Pilzen und Spiegelei verzierte „Giovanni“ (9,50 Euro) in der kleinen Ausgabe (ca. 28 cm Durchmesser), während mein Gegenüber die große „Calabria“ (10,50 Euro) in der Large-Version (ca. 32 cm Durchmesser) riskierte.
Risiko deshalb, weil der nach der italienischen Stiefelspitze benannte Rundfladen u.a. mit einer Vielzahl an scharfen Peperoni(s) belegt war. Man muss jedoch fairerweise sagen, dass ihr Schärfegrad durch drei Chilischoten in der Karte gekennzeichnet war. Nun, wer sich vorsätzlich in Gefahr begibt, der muss auch mit den schmerzlichen Konsequenzen an Zunge und Gaumen umgehen können. Einen halben Liter Riesling und zwei große Pils kosteten ihn das „Ablöschen“ aber schon.
Mich sprach die große Pizza Mare (12 Euro) mit angeblich frischen Meeresfrüchten (aha...) am meisten an. Na da war ich doch sehr gespannt, ob sie an die diesbezügliche Referenz-Pizza aus dem „La Vigna“ in Venningen heranreichen würde.
Zum kühlen, herbgehopften Pils aus dem Saarland gesellte sich bald die Calabria-Version eines „Salade Nicoise“. Die freundlich-förmlich auftretende, aber ansonsten eher unauffällig agierende Servicedame brachte mir ein mit üppiger Dosen-Thunfisch-Auflage, Schinkenröllchen, hart gekochten Eier- und Tomatenspalten garniertes Blattwerk der knackig-grünen Art.
Vor der Pizza erstmal Nizza!
Das Essig-Öl-Dressing wurde mit einem Pülverchen geschmacklich auf Kurs gebracht – man könnte auch sagen überwürzt. Ich tippte auf Knorr-Salatkrönung „Italienische Art“, war mir da aber nicht ganz sicher, weil ich das getrocknete Zeug schon ewig nicht mehr auf dem Teller hatte, geschweige denn selbst in einem Dressing verwendet habe.
...da wurde ordentlich was "verpulvert"!
Auf diesen Zusatz aus der Fertigwarenabteilung hätte man getrost verzichten können, lieferte doch der großzügig darüber drapierte Thunfisch aus der Dose in Kombination mit dem zupackenden Balsamico und dem salzigen Kochschinken mehr als genug Würze für den blattgrünen Unterbau. Die Portionsgröße hätte aus meiner Sicht etwas geringer ausfallen dürfen. Aber der auf eine Vorspeise verzichtende Kollege gegenüber half da gerne ein wenig aus.
Der kleine Beilagensalat wurde mit roher Kost ein wenig aufgefrischt, um ihn danach in mayolastiger Salattunke zu ertränken. Ein recht wuchtiges, geschmacklich austauschbares „Hausdressing“ gegen das kein rotes Kraut (im Teller) gewachsen war. Da hätte man sich auch den Pflanzenanteil sparen können, denn hervorschmecken konnte man ihn unter der essigwürzigen Mayomischung eh nicht mehr. Schad, um’s Grün!
Ertränktes Grün bzw. Rot
Auch unsere gebackenen Hefeteigerzeugnisse ließen nicht lange auf sich warten. Nanu, wo versteckten sich denn meine Meeresfrüchte? Bei genauerem Hinsehen war schnell klar: die befanden sich – genau wie die Zutaten der beiden anderen Pizzen – doch tatsächlich unter der Käseschicht.
Pizza Formaggi mit versteckten Meeresfrüchten
Solch eine „Belags-Inversion“ war mir schon lange nicht mehr „untergekommen“. Jeder italo-affine Pizza-Purist hätte sich da wohl mit Grausen abgewendet. Zu Recht, denn die mengenmäßig dominierende Substanz auf der dank Pizzablech kreisrunden Teigscheibe war die alles erdrückende, aber geschmacklich ohne Mehrwert auskommende Gratiniermasse.
Die Tomatengrundierung fiel dagegen überaus würzig aus. Da wurde anscheinend ganz schön die Salzkeule geschwungen. Da auch der Boden die nötige Luftigkeit vermissen ließ, lag es nun an den Früchten des Meeres, die Neptunscheibe geschmacklich aufzuwerten, was sie leider nicht taten. Die Tintenfischringe und Pulpostücke wie Gummi, die Garnelen maximal geschmacksneutral.
Alles Gummi, oder was?
Da probierte ich gerne von der teuflischen Scharfscheibe des feuerspuckenden Kollegen am Tisch. Sein kulinarischer Ausflug nach „Calabria“ brannte sich bei ihm tief ins Gaumengedächtnis. Auch mir tropfte bereits nach dem Verzehr eines Stücks mächtig die Nase.
Die teuflische Scharfscheibe für Hellfire-Herbie!
Für ausgewiesene Scharfzungen mit entsprechend trainierten Papillen wäre diese Brachialplatte, die nur knapp dem Tatbestand der Körperverletzung entging, wahrscheinlich genau das Richtige gewesen. Aber sicherlich nichts für den durchschnittlichen Pikantpizzaesser, der gerne auch noch vom restlichen Belag etwas schmecken möchte.
Attention, explosive!
Auch Fladen-Freund Nr. 3 am Tisch zeigte sich wenig beeindruckt von seiner „Giovanni“.
Pizza Giovanni
Die Hitze des Ofens hatte bereits den Dotter des mittig darüber platzierten Spiegeleis zum Stocken gebracht. Das sah alles andere als appetitlich aus. Der Rest des überkästen Rundlings war scheibchenweise mit deftigen Belagsgesellen (Salami und Kochschinken) sowie ein paar lieblos darüber verteilten, frischen Champignons „tapeziert“. Nicht unbedingt etwas für’s Auge, wohl eher für den stabilen Magen geeignet.
Auch hier aß das Auge nicht so recht mit...
Der Kollege beschloss sein Mahl wie üblich mit einer Tasse Kaffee (3 Euro) und wir machten uns danach bald auf, um das gute, vorher erstandene Bier sicher im Kofferraum nach Hause zu transportieren. Im Tausch gegen den „Sitzschein“ (Bon) unseres Schlemmer-Blockseminars wurde uns die günstigste Pizza – in diesem Fall die „Giovanni“ – erlassen. Zwar sparten wir dadurch knapp 10 Euro, aber in Anbetracht der durchschnittlichen Essens-Qualität und der Entfernung nach Ranschbach nun wahrlich kein Lockangebot, das uns wieder hierher führen wird.
Ach hätten wir doch wenigstens den Trifels während unseres Abendessens im Blick gehabt. Er hätte den Verzehr der kreisrunden Banalitäten aus Teig, Käse und Co. sicherlich ein wenig aufgewertet. Aber der war von der Terrasse aus leider nicht zu sehen, da ihre rückseitige Ostlage – was hat sich der Architekt dabei nur gedacht? – keine Aussicht auf den Pfälzerwald zuließ.
Und so schließe ich mit den Worten eines großen Philosophen der wilden 80er: „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu…“ (J. Wegmann, ehemaliger Fußball-Profi). Sie bringen unseren Ausflug in die Ranschbacher Blechpizzabutze treffend auf den Punkt.
Sollte mich der Weg irgendwann mal wieder ins „Seligmacher-Dorf“ führen, wäre eine Einkehr in der altehrwürdigen Weinstube „Zum Woidächel“ natürlich Pflicht. Denn gutbürgerliche Hausmannskost und gutseigene Weine haben noch keinem echten „Pelzer“ (So nennt man in Bremen den gemeinen Pfalz-Bürger...) geschadet.