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Endlich war ich mal wieder in der Hauptstadt zu Gast – wenn auch „nur“ im Dienst als Klassenlehrer, der sich mit seinen Schülerinnen und Schülern auf Abschlussfahrt befand. Wir reisten schon am Samstag an, um das poltisch-historische Pflichtprogramm etwas zu entzerren und den Jungs und Mädels der 10.Jahrgangsstufe die Möglichkeit zu geben, auch ein paar außergewöhnliche Erfahrungen (Radtour an der Mauer entlang, Kanufahren auf der Spree usw.) zu sammeln. Für die Generation „Corona“ war diese Klassenfahrt nämlich ein lang ersehntes, außerschulisches Gemeinschaftserlebnis, das es pandemiebedingt in der Form eine ganze Weile nicht mehr gab.
Berlin Food Stories…
Natürlich habe ich im Vorfeld kulinarische Kunde eingeholt, um meine anfangs zwei, später dann drei Kolleg:innen am Abend gut verköstigt zu wissen. Ein befreundeter Schreiberling dieses Portals schenkte mir mal einen hübsch bebilderten Streifzug durch Berlins Foodszene („Berlin brodelt“). In diesem Buch wurde ich auf den Food-Blog von Per Meurling aufmerksam. Meurling ist ein essverrückter Schweden, der sich seit ein paar Jahren durch die Hauptstadt futtert und immer auf der Suche nach dem ultimativen Döner, den köstlichsten Köfte und den abgefahrensten Asiaten ist.
Wer sich mal ein Bild vom umtriebigen Per und seinen kulinarischen Abenteuern machen möchte, kann dies auf der Seite: https://berlinfoodstories.com ja mal tun. Ein paar englische Sprachkenntnisse sollte man dafür mitbringen oder man jagt die sehr lesenswerten Berichte durch ein Übersetzungsprogramm.
Nur für den ersten Abend ignorierte ich (leider) seine Tipps und bemühte diverse Internetportale, um ein geeignetes Lokal zu finden. Da es sich um einen Samstagabend handelte, reservierte ich schon über eine Woche im Voraus im Maison Umami, das bei Tripadvisor recht gute Bewertungen erhalten hatte und auch nicht gar so weit von unserem Hostel entfernt lag. Es war sozusagen der kleinste kulinarische Nenner, da ich wusste, dass beim Vietnamesen auch meine Kollegen fündig werden würden.
Auf zum Wrangelkiez!
Nach dem Bezug des Hostels stand ein geführter „Welcome Walk“ auf dem Programm. Im Anschluss an ihn verschlug es mich mit ein paar meiner treuesten „Untergebenen“ spontan in die Berliner Filiale vom Dolden Mädel am Mehringdamm, um für wohlgehopften Elektrolytausgleich zu sorgen. Dadurch verspätete sich meine Ankunft in der Schlesischen Straße, wo sich das Maison Umami befindet, ein wenig. Die Kollegin und der Kollege nahmen es mit Gelassenheit. Sie hatten sich da schon in die kulinarischen Gegebenheiten vor Ort eingelesen.
Blick von außen ins Maison
Was von außen ein wenig so aussah wie Pham Minh Chínhs „Lampionladen“ entpuppte sich bei näherer Betrachtung als wuselige Asia-Gastro mit extrem hohen Brummfaktor. Hier konnte man Eintauchen in das urbane Treiben des trubeligen Wrangelkiez unweit der U-Bahn-Station Schlesisches Tor. Ein wahres Bermudadreieck für weltoffene Futtersucher, das den Entdecker vom Lande mit seinen indischen, pakistanischen, libanesischen und asiatischen Lokalitäten regelrecht überforderte. Allein in diesem Viertel hätte ich locker zwei Wochen gebraucht, um mich durch das vielseitige Angebot zu mampfen.
Doch der Hans Mampf in Kreuzbergs Gassen setzte sich stattdessen an einen der Außentische mit Blick ins Innere des Maisons. Dort hatte man es sich schon bei einem Schoppen Radler bzw. Krombacher Pils (beides zu 4,80 Euro) leidlich gemütlich gemacht. Leidlich, weil die Holzbänke, auf denen wir saßen, keine Rückenlehne hatten und ein entspanntes Zurücklehnen von vornherein zunichtemachten.
Auf dem Weg nach hinten...
Beim Gang zu den Toiletten, die sich wie üblich im hintersten Teil des Ladens befanden, war ich etwas verwundert, mit wie viel Deko man die Räumlichkeiten vollgestopft hatte. Egal, zu Studentenzeiten hätte ich das Interieur dieses Lokals wahrscheinlich sehr gemocht. Besonders die Ecke hinten rechts, wo man – in fernöstlicher Authentizität – auf dem Boden sitzend sein Essen einnehmen konnte.
Mythen, Märchen und Legenden
Ein paar Worte noch zur Lokalität. Nach den beiden Umami-Restaurants „P-Berg“ und „X-Berg“ in der Knaack- bzw. Bergmannstraße reihte sich das Maison Umami als dritte Filiale in die vietnamesische Gastroreihe mit dem 5.Geschmackssinn im Namen ein. Das war im Mai 2018. Mittlerweile ist sogar noch eine weitere Dependance in Friedrichshain dazugekommen.
Postkoloniales CI
Der Legende nach handelt es sich hier um einen Familienbetrieb, der von sechs Geschwistern gelenkt wird. Auch beim Maison Umami taucht auf der Webseite das Märchen von einem mit traditionellen Familienrezepten gefüllten Tagebuch der Mutter auf, zu deren Ehre man das Restaurant gründete.
Keine Ahnung, wer sich solche Schmonzetten ausdenkt, aber die Methode scheint zu funktionieren. Denn statt in der Masse seelenloser Allerwelts-Systemgastros unterzutauchen, ragt man doch lieber mit einer kreativ erdachten Entstehungsgeschichte inklusive den passenden, modernisierten „Familienessen“ und „Kindheitsgerichten“ aus der derzeitigen Asia-Küchen-Schwemme hervor. Das ist cleveres Marketing und kommt selbst bei „Slow-Foodies“ an.
Nun gut, ich war gespannt, ob den vollmundigen Ankündigungen in der zweisprachigen Speisenkarte (Deutsch/Englisch) auch die entsprechenden Taten auf den Tellern folgen würden.
Nahrungssuche und Entscheidungsprozess
Die Vorspeisen teilten sich gerecht auf in sieben Positionen mit („traditionell“) und sieben ohne Fleisch („vegetarisch“). Bei den Hauptgerichten ein ähnliches Bild, wobei hier die Teller bzw. Schüsseln mit Fleischanteil leicht überwogen. Alles in allem also ein recht überschaubares Speisenprogramm, das nichts mit dem häufig überfordernden, asiatischen Nummernoverkill gemein hatte.
Beim Mineralwasserpreis gibt man sich gerne urban und rechnet 5,90 Euro für die 0,75l-Karaffe ab. Bei den Speisen ist man da etwas zurückhaltender, wenn auch keinesfalls preisgünstig. So schlug zum Beispiel der Salat aus dem „Frühlingsgarten“, den meine Kollegin vorab bestellte, mit 6,40 Euro zu Buche, während sich mein Kollege den Sommer in Rollen für 4,80 Euro schmecken lassen wollte. „Pearl on Spoon“ hatte man die Jakobsmuscheln vom Grill getauft, die ich mir 6,40 Euro gönnte.
Da ich gleich den „Rogen“ roch und mir zu dem Preis keine Prachtexemplare aus den besten Fanggebieten des Atlantiks vorstellen konnte, schob ich mit „Ho Tay’s Pancake“ noch ein paar Garnelen auf Süßkartoffel-Reibekuchen (5,40 Euro) vorsichtshalber nach. Erstens hatte ich Hunger und dann kam auch noch die Neugier hinzu.
Meine beiden Tischgenossen hatten es beide auf den Banh Bao Burger mit Kimchi und Süßkartoffelpommes (welche in der Karte „-stäbchen“ hießen…tss) zu jeweils 10,90 Euro abgesehen, während ich lieber zu „Pakse Pan“, einem in der Schüssel servierten Wokgericht mit Rinderstreifen (10,20 Euro), tendierte.
Manchmal sind es die Kleinigkeiten…
„I hätt’s ja wissen müss’n!“, denn in der Karte stand es ja Schwarz auf Weiß geschrieben. Das, was man mir da auf einem frittierten Etwas aus zusammengeklebtem „Süßkartoffelmulch“ kredenzt hatte, waren keine Riesengarnelen. Es waren „Großgarnelen“. Und „groß“ ist ja nicht nur ein sehr subjektiver, sondern manchmal auch ein recht überschaubarer Begriff. Nun fiel deren Größe derart mickrig aus, dass mir die unter einem Korianderzweig versteckten Exemplare fast schon leidtaten.
Ho Tay’s Pancake
Auch vom leicht süßlichen Krustentiergeschmack, den ich z.B. an den Black Tiger Prawns so schätze, keine Spur. Da konnten auch der knusprig-massige „Reibekuchen“, das kleine Häufchen Kimchi und die in einem separaten Schälchen gereichte Limetten-Fisch-Sauce nicht über die Enttäuschung beim Anblick der kümmerlichen Früchtchen fernab des Meeres hinweghelfen.
Na vielleicht würden wenigsten die Jakobsmuscheln für eine ausgleichende Geschmacklichkeit am Gaumen sorgen. Leider handelte es sich auch bei ihnen um Kleinstlebewesen, die zwar mit Wasabi-Crème, Soja-Reduktion (=Teriyaki-Sauce), Lauchpesto und etwas Koriander verfeinert auf drei kleine Probierlöffel aus Keramik verteilt wurden, aber ansonsten eher unauffällig blieben.
Pearl on Spoon
Das sah nicht unappetitlich aus, erzeugte aber einen insgesamt enttäuschenden, da recht eindimensionalen und wenig nachhaltigen Genussmoment. Überhaupt war den Miniatur-Pectinida wenig Gaumeninformation zu entlocken. Wie bei meiner Garnelenvorspeise regierte auch hier mehr der schöne Schein, wie das gustatorische Sein auf der mit dem hauseigenen Logo versehenen Porzellan-Platte.
Nochmal die "Löffelperlen"
Den Frühlingsgarten-Salat meiner Kollegin habe ich dann vergessen abzulichten. Aber auch ihr Enthusiasmus über den mit grüner Papaya, frischem Koriander und gegrilltem Hühnerfilet ausgestatteten „Fitnessteller“ hielt sich in Grenzen.
Einzig der mitgereiste Kollege, der auch unserem Wörther Schlemmerclub angehört, zeigte sich mit seinen in Reispapier gewickelten Sommerrollen sehr zufrieden. Auch bei ihnen durfte der obligatorische Koriander-Stängel natürlich nicht fehlen.
It is summer - Let it roll!
Als Hauptzutat hatten es sich Garnelen (vielleicht sogar „Großgarnelen“…) zwischen den Asia-Vermicelli und dem üblichen Salatinhalt bequem gemacht. In die dazu gereichte Hoisin-Kokos-Sauce getunkt, ergab der Verzehr dieser kalten Vorspeise an einem so warmen Sommerabend natürlich Sinn.
Länder – Menschen – Asia-Burger!
Was wie eine spannende Kreuzüberkreation im gedämpften Bao-Brötchen klang, entpuppte sich bereits beim Anblick als recht blasses Unterfangen. Das mit Mango-Coleslaw, Koriander (was sonst?) und zwei verschiedenen Soßen (Umami-Haussoße und Mango-Chili-Crème) asiatisch kultivierte Rindfleischpatty hatte selbst wenig Eigengeschmack vorzuweisen. Auch hier begleiteten Kimchi und Stäbchen von der Süßkartoffel den nett drapierten Dampfnudelburger.
Banh Bao Burger
Insgesamt war das ein ziemlich belangloses, da wenig geschmacksintensives Sättigungserlebnis. Dieser Lapsus wog insofern doppelt, da sich keine 100 Meter entfernt eine der besten Adressen für Bulettenbrutzelei der Hauptstadt befand: der legendäre „Burgermeister“. Wer dort mal einen „Meister aller Klassen“ vertilgt hat, weiß, wie viel Freude ein mit doppeltem Rindfleischpatty, doppeltem Käse und Jalapeños ausgestattetes Bun machen kann.
Wer wokt, gewinnt? - Diesmal eher nicht!
Nun, meinen im Wok geschwenkten Rinderstreifen hatte man eine üppige Gemüsebeigabe mit in die Schüssel gelegt. Brokkoli, Paprika, Babymais, Zucchini und Blumenkohl sorgten für ein farbenfrohes vegetabiles Durcheinander, in dessen Souterrain noch Reisbandnudeln lauerten. Eine großzügig beigegossene, herzhafte Austernsoße versuchte, das Ganze mit dem 5.Geschmackssinn zu segnen, was ihr jedoch nur leidlich gelang.
Pakse Pan
Keine Frage, das Gericht hatte durchaus seine positiven Momente. Das Gemüse kam noch angenehm knackig daher und auch das dünngeschnittene Rindfleisch machte in textureller Hinsicht keinen schlechten Eindruck. Nur vom Geschmack war das alles doch recht einfach gestrickt. Am Gaumen tat sich da nicht viel. Von einem Laden, der das Wort „Umami“ in seinem Namen trägt, hatte ich deutlich mehr erwartet, was auch meine beiden Kollegen bestätigten.
Serviceprobleme hausgemacht bzw. „à la Maison“
Es war mächtig was los an diesem Samstagabend und die jungen asiatischen Bedienungen bemühten sich sichtlich, den Ansturm zu bewältigen. Dauernd mussten Gäste ohne Reservierung vertröstet werden, es doch bitte etwas später noch einmal zu versuchen. Trotz der kompletten Ausreservierung des Außenbereichs, durften auch größere Gruppen im Inneren des Lokals Platz nehmen. Keine Ahnung, wie das die Küche gewuppt bekam. An der Ausschanktheke herrschte jedoch ein heilloses Durcheinander.
Auch wir mussten auf eine weitere Flasche Mineralwasser lange warten. Ein mehrfaches, freundliches Erinnern an diesen Getränkewunsch fruchtete erst spät. Dass man uns dann später beim Bezahlen eine Flasche mehr in Rechnung stellen wollte als wir konsumiert hatten, war als Versehen schnell festgestellt und noch schneller verziehen. Bei der Masse an Leuten, die hier zeitgleich verköstigt wurden, war es eh ein mittleres Servicewunder, was die Jungs und Mädels der Umami-Truppe da vollbrachten.
Zufluchtsort Eckkneipe
Um es vorweg zu nehmen. Der Besuch im „Mässong“ blieb der einzige kleine kulinarische Fehltritt während unserer Zeit in Berlin. Bei den folgenden Restaurantbesuchen hielten wir uns an die Tipps von „Foodfluencer“ Per Meurling und taten gut daran.
Doch all das war uns spätestens nach dem Begleichen der Rechnungen herzhaft egal. Da wir noch etwas Zeit hatten und sich der Nachdurst meldete, versuchten wir unserer drohenden Unterhopfung im Oberbaumeck, einer traditionellen Eckkneipe, aus der gitarrenlastige Musik dröhnte, entgegenzuwirken, was uns dann gleich schoppenweise gelang.
Wie sang einst der deutsche Interpret Marius Müller-Westernhagen: „Nur hier in der Kneipe, fühl‘ ich mich frei...“. Dem konnten wir an unserem ersten Abend in Berlin vorbehaltlos zustimmen.